Todtstelzers Schicksal
heiratete, und all die seither eingetretenen,
tief greifenden Umwälzungen des Imperiums hatten seinen
sturen Kopf nicht bewegen können, es sich anders zu überlegen. Kein Mitglied von Konstanzes ursprünglicher Familie
gedachte, an der Hochzeit teilzunehmen. Konstanze wollte dazu nicht Stellung nehmen, weder öffentlich noch privat. Und
somit fiel es Evangeline zu, einer engen Freundin und Oberhaupt einer der ältesten Familien des Imperiums, sie zum Altar
zu führen. Dabei half, dass Evangeline auch die Klone repräsentierte. Auf solche Dinge kam es in den Augen des Imperiums an.
(Evangeline hatte sich Konstanze gegenüber nie selbst als
Klon zu erkennen gegeben und ihr auch nicht verraten, dass sie
sich gegen einen Gentest wehrte, der ihre wahre Natur offen
gelegt und ihr die Macht über den Clan Shreck wieder entrissen
hätte. Vielleicht später. Wenn sich alles wieder … etwas beruhigt hatte.)
»Ich freue mich so, dass du gekommen bist, Evie!«, sagte
Konstanze, als sie beide sich setzten und dabei die Rüschen
ihrer Kleider sorgfältig arrangierten. (Konstanzes Kleid war
aus rein traditionellen Gründen vollkommen weiß, das Evangelines von eindrucksvollem Smaragdgrün.) »Ich musste die meisten meiner Leute hinauswerfen; sie haben mich mit ihrem
endlosen Theater verrückt gemacht. Und ich schwöre: Sollte
Chantelle ihre spitze Nase noch einmal durch meine Tür stekken, um einen hochnäsigen Kommentar zu äußern oder einen
als Ratschlag getarnten Befehl zu erteilen, dann werde ich ihr
die Frisur mit etwas spalten, was groß und schwer und scharf
ist!«
»Entspanne dich«, riet ihr Evangeline, die sich ein Lächeln
nicht verkneifen konnte. »Als ich sie zuletzt sah, waren ihr im
Plenarsaal die Leute ausgegangen, die sie schikanieren konnte,
und ist sie hinaus in die Vorhalle gegangen, um auch den Menschen dort das Leben zur Hölle zu machen. Ich finde, es war
ein Geniestreich von dir, sie mit der Leitung der Zeremonie zu
beauftragen; sie ist wahrscheinlich die einzige Person außer
Kid Death, vor der einfach jeder Angst hat. Sie hat sich sogar
dermaßen unbeliebt gemacht, dass ein Meuchelmörder, der
sich vielleicht irgendwie an den Elfen vorbeischleichen kann,
eher auf ihr Leben aus wäre als auf deines.«
»Ich habe mir nie vorgestellt, dass mein Hochzeitstag so außer Kontrolle gerät«, sagte Konstanze ein bisschen müde. »Alles ähnelt mehr einem Zirkus als einer Zeremonie. Das Parlament zeigte sich jedoch unnachsichtig und bestand aus leicht
erkennbaren Gründen auf einer großen Feier. Sind immer noch
keine Nachrichten von der Fluchtburg oder der Excalibur eingetroffen? Wissen wir, ob sie überhaupt Kontakt zur Flotte von Shub herstellen konnten?«
»Ihrer letzten Funkmeldung zufolge näherten sie sich noch
dem Gegner, und ob wir bitte aufhören würden, Diana Vertue
zu belästigen, da sie sich zu konzentrieren versuche. Falls ich
mir darüber Gedanken machte, dass unser aller Schicksal in der
Hand einer Frau liegt, die einst aus sehr guten Gründen Johana
Wahn genannt wurde, dann wärt ich wohl sehr besorgt. Also
denke ich nicht darüber nach und empfehle dir, es mir gleichzutun. Konzentriere dich auf deine Hochzeit. Sollen wir die
korrekten Antworten noch einmal durchgehen?«
»Nein, danke! Ich habe so viele Proben absolviert, dass ich
sie schon im Schlaf beherrsche. Wenigstens haben wir diese
Zeile mit ehren und gehorchen hinauswerfen können.« Konstanze brach ab und bedachte Evangeline mit einem sehr nüchternen Blick. »Ich freue mich, dass du hier bist, Evie. Ich muss
mit dir über etwas reden. Etwas, worüber ich mit niemandem
sonst reden kann. Vielleicht nicht mal mit Robert. Ich denke
die ganze Zeit schon über meine Rolle als Königin nach …
über all die Dinge, die ich vorhabe … und gewinne dabei zunehmend den Eindruck, dass ich ganz nach Löwenstein schlage. Dass ich intrigiere und politische Machenschaften inszeniere, damit die Leute tun, was ich möchte, nur weil ich denke, im
Recht zu sein. Ich möchte aber keine Imperatorin werden! Ich
möchte die Menschheit nicht führen. Ich möchte lediglich …
eine Stimme der Vernunft sein.«
»Und das wirst du auch«, behauptete Evangeline entschieden. »Die beste Person in einer Machtposition ist jemand, der
sich diese Stellung gar nicht wünscht. Das hat uns Owen gelehrt. Er wollte niemals ein Rebell oder ein Rebellenanführer
sein, aber er hat das Imperium verändert, weil er einsah, dass
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