Todtstelzers Schicksal
Menschen tyrannisierte, ohne Rücksicht darauf, ob sie es mit Dienern oder
Berühmtheiten zu tun hatte. Chantelle zirkulierte mit hohem
Tempo zwischen den Gästen, die sich dabei gar nicht wohl
fühlten, begünstigte einige mit einem kurzen Kuss auf die
Wange oder damit, dass sie sich vor laufender Kamera großzügig an ihre Vornamen erinnerte, während andere nur Opfer
beißender Herablassung wurden oder der Verdammnis durch
einen Hauch von Lob anheim fielen. Manche Reputationen
vernichtete Chantelle einfach, indem sie vor laufenden Kameras an den Betroffenen vorbeistolzierte, die Nase in die Luft
gereckt. Für diese Menschen war die Schande fast unerträglich.
Sie zogen sich an den Rand der Menge zurück, ein gutes Stück
von Kameras und Reportern entfernt, um bittere Tränen zu
weinen und ihre Rache zu planen. Chantelle gestattete sich ein
paar gezielte Auftritte vor einigen der wichtigeren Reporter;
ihnen gegenüber gab sie sich bescheiden, zurückhaltend und
einfach froh darüber, dass sie in der Lage war, ihren bescheidenen Beitrag zu leisten, damit aus diesem ganz besonderen
Tag ein Erfolg wurde. Sie war schön und bezaubernd, und das
riesige Publikum verschlang ihren Auftritt löffelweise.
Ungehört im Hintergrund wurde hingegen massenhaft mit
den Zähnen geknirscht, Ausdruck des Hasses aller übrigen
Stars, aber Chantelle überstrahlte sie alle mit dem Lächeln der
Siegerin.
Im Plenarsaal drehten Toby Shreck und sein Kameramann
Flynn entschlossen ihre Runden durch das Chaos und nahmen
alles auf. Eigentlich hätte sich Toby auf dem Regiebalkon ein
Stockwerk höher aufhalten müssen, um die ein Dutzend Kameraleute unter seinem Befehl zu beaufsichtigen und die eingehenden Aufnahmen auf den Monitorbänken zu verfolgen, aber
er hatte der Versuchung nicht widerstehen können, sich selbst
ins Getümmel zu stürzen, nur um persönlich die Atmosphäre
zu spüren. Flynn hatte Verständnis dafür. Die Imperialen Nachrichten hatten Toby die Verantwortung für die komplette Liveübertragung vom großen Tag übertragen, und nichts machte
Toby nervöser als Verantwortung. Also saß die Person, die
schon lange daran litt, Tobys Stellvertreter zu sein, derzeit auf
dem Balkon des Regisseurs, während Toby und Flynn auf dem
Parkett geschäftig hin und her eilten und als erbarmungslose
Raubtiere, die sie nun mal waren, Nachrichten jagten. »Dieser
Balkon hat mich zum Wahnsinn getrieben!«, beschwerte sich
Toby, während er die Umstehenden musterte, ob er nicht jemanden entdeckte, den zu befragen oder zu terrorisieren sich
hätte lohnen können. »Die Hälfte der Kameraleute, die sie mir
geschickt haben, scheinen Bedienstete nicht von Stars unterscheiden zu können, ehe sie nicht vorher die Gästeliste konsultiert haben. Die übrige Hälfte sind gesellschaftliche Kriecher,
die sich fürchten, etwas Interessantes aufzunehmen, damit es
auch niemanden in Verlegenheit bringt. Ein verdammter Perverser lässt sich einfach nicht davon abhalten, immer wieder
Beine und Ausschnitt der Brautjungfern in Großaufnahme zu
bringen. Das wäre mir ja egal, aber bislang erzielt er, nach
Kameraleuten aufgeschlüsselt, die höchsten Quoten! Sobald
die eigentliche Zeremonie beginnt, möchte ich wenigstens einen Kameramann direkt am glücklichen Paar haben, wenn es
seine Gelübde leistet, und das bist lieber du, Flynn, falls du
weißt, was gut für dich ist! Ich verlasse mich darauf, von dir
preiswürdige Aufnahmen vom großen Ereignis des heutigen
Tages zu erhalten, selbst wenn du den Trauzeugen des Bräutigams aus dem Weg schubsen musst, um sie zu kriegen.«
»Mach dir keine Sorgen, Boss. Ich bleibe so dicht an der
Braut dran, dass sie mich für ein weiteres Gesäßpolster hält.«
»Hoppla«, sagte Toby da im perfekten Tonfall des Wolfs, der
sich an den verletzten Hirsch anschleicht. »Ich habe gerade
jemanden entdeckt, von dem wir unbedingt ein Interview brauchen. Die aalglatte Donna Silvestri höchstselbst! Normalerweise hat sie genug Verstand, um mir aus dem Weg zu gehen.«
Flynn blickte zu der ruhigen, matronenhaften Gestalt hinüber. »Was ist so besonders an ihr? Der Clan Silvestri ist schon
seit Äonen absolut unterklassig.«
»Das zeigt mal wieder, wie wenig Ahnung du hast. Die liebe
süße, bescheidene Donna, in deren Hintern nicht mal Butter
schmelzen würde, gehört, wie Eingeweihte munkeln, zum Schwarzen Block . Zum harten Kern gar. Und in letzter Zeit
taucht überall, wo es zu
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