Todtstelzers Schicksal
Selbstvertrauen geraubt von lange
vergessenen Ängsten der Kindheit. Und dann stand Elias Gutmann auf, und aller Augen richteten sich auf ihn.
»General Beckett wird zweifellos alle Schiffe zusammentrommeln, die er nur findet, um sich dieser neuen Gefahr entgegenzustellen«, sagte Gutmann gewichtig. »Ich bin sicher,
dass das Hohe Haus ihn in jeder Hinsicht unterstützen möchte.« Er blickte sich um, aber nach wie vor sagte niemand etwas.
Gutmann machte ein finsteres Gesicht. »Wir alle wussten, dass
die Neugeschaffenen schließlich erscheinen würden. Sie hätten
einen besseren Zeitpunkt wählen können … aber so ist nun mal
das Pech, das wir seit einiger Zeit haben. Also, Halber Mann:
Ihr habt die meiste Erfahrung mit diesen … Fremdwesen. Wir
werden Euch unverzüglich ein schnelles Schiff zur Verfügung
stellen. Ich bin sicher, dass Ihr so bald wie möglich mit General Beckett konferieren möchtet. Mit Euch beiden an der Spitze
der Streitkräfte, die gegen die Neugeschaffenen …«
»Nein«, erklärte der Halbe Mann. »Ich fliege nicht hin.«
Alle drehten sich um und sahen ihn an. Er starrte mit seinem
halben menschlichen Gesicht gelassen zurück, und die Energiehälfte knisterte und prasselte in der Stille.
»Aber … Euer Rat zum Umgang mit diesen Fremdwesen wäre unschätzbar!«, sagte Gutmann. »Auf Becketts Flotte könntet
Ihr viel mehr ausrichten als hier!«
»Ich fliege nicht hin«, wiederholte der Halbe Mann. »Es hat
keinen Sinn. Wir können sie nicht besiegen, wir können sie
nicht aufhalten, und wir können uns nirgendwo vor ihnen verstecken. Es gibt nichts, was ich oder die Flotte tun könnten, um
Euch zu retten. Unsere Lebensform muss nun schließlich doch
mit der eigenen Auslöschung rechnen.«
Er drehte sich um und entfernte sich, und noch sehr lange,
nachdem er den Plenarsaal verlassen hatte, wusste niemand
etwas zu sagen.
Konstanze Wolf und Robert Feldglöck schmiedeten Pläne für
ihre Hochzeit. Wenigstens tat Konstanze es. Robert hatte es
schon lange aufgegeben, über die Ereignisse auf dem Laufenden zu bleiben, und gab sich inzwischen damit zufrieden, an
der Grenze zum organisierten Chaos herumzustehen, endlose
Tassen Tee zu trinken und zu den seltenen Gelegenheiten,
wenn er darum gebeten wurde, Rat und Hilfe anzubieten. Persönlich hätte er nur zu gern jede Entscheidung in dieser Angelegenheit Konstanze überlassen, aber sie beharrte darauf, dass
seine Ansichten für sie bedeutsam wären, und wollte nichts
davon hören, dass er ihr alles überließ. Und außerdem müsste
man an die Medien denken. Die zeremonielle Hochzeit des
ersten Paares konstitutioneller Monarchen hatte die Vorstellungskraft und die Begeisterung der Öffentlichkeit stimuliert,
und die Medien strampelten sich förmlich ab, um laufend über
das Brautpaar und die Hochzeitsvorbereitungen zu informieren.
Sie wollten einfach alles sehen. Und da Robert es sich nicht
erlauben konnte, als der schwache Teil des glücklichen Paares
gesehen zu werden, müsste er sich mitten im Strom der Ereignisse präsentieren und an jeder Entscheidung mitwirken.
Wenn auch nur theoretisch.
In Konstanzes Suite auf dem obersten Stockwerk des Turms
der Wolfs wimmelte es von Menschen, die kamen und gingen
und wieder zurückkehrten und dabei fortwährend in den höchsten Tönen schwatzten. Ein endloses Arsenal an Kleidungsstücken müsste entworfen und bewilligt und angepasst werden;
Blumen wollten ausgewählt und arrangiert, Geschenke begutachtet und begurrt und verstaut werden (nachdem man sie diskret auf Bomben und andere unerfreuliche Dinge untersucht
hatte, da aus einer Vielzahl von Gründen nicht jedermann mit
der königlichen Hochzeit einverstanden war). Dazu kamen die
unzähligen Einzelheiten der großen Zeremonie, die in unmäßiger Ausführlichkeit kontrovers diskutiert werden wollten. Höflinge traten auf und Händler und Vertreter beider Familien und
summten um Konstanze herum wie Bienen um eine seltene und
kostbare Blüte.
Robert hatte niemanden außer seinem Kammerherrn, dem erfahrenen und sehr beruhigenden Baxter.
Seit Owen Todtsteltzer vermisst und für tot gehalten wurde,
hatte sich das Bedürfnis nach einem neuen, konstitutionellen
Monarchen plötzlich außerordentlich verstärkt. Die Öffentlichkeit wollte die königliche Hochzeit sehen, die man ihr versprochen hatte, und sie wollten sie bald sehen. Das Ereignis war der
einzige Lichtstrahl in einer sonst sehr düsteren Zeit, und im
ganzen
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