Todtstelzers Schicksal
dummerweise war es die sechste Anpassung, und die Leute hatten
die Einzelheiten immer noch nicht richtig hinbekommen. Robert seufzte schwer. Er probierte einige Posen vor dem Spiegel,
aber sie wirkten alle wie die eines Fremden. Fast verzweifelt
wandte er sich an Baxter.
»Jetzt reicht es! Werft diesen Affenanzug weg und holt meine alte Kapitänsuniform heraus! Ich werde nicht zu meiner
eigenen Hochzeit gehen, als hätte ich den Anzug in letzter Minute gemietet.«
»Standhaftigkeit ist heute die Losung des Tages«, murmelte
Baxter ganz ungerührt. »Wir kommen dem Ziel ständig näher.
Und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, die Militäruniform nicht wieder zu erwähnen. Ein konstitutioneller Monarch
darf keine echte Macht ausüben, schon gar keine militärische
Macht. Ihr werdet Euch an den Anzug gewöhnen, sobald einige
weitere erforderliche Veränderungen vorgenommen wurden.
Ihr seht sehr schick aus!«
»Ich sehe aus wie eine Schneiderpuppe! Kleider sollten nicht
so steif sitzen. Das ist einfach nicht natürlich. Und muss ich
diese verdammte Fledermaus am Hals tragen?«
»Eine schwarze Fliege wird erwartet, ja, Sir. Macht Euch
keine Sorgen. Ich werde da sein und sie für Euch binden.«
Robert seufzte tief. »Es wird eine sehr, sehr lange Zeremonie,
nicht wahr?«
»Zweifellos, Sir. Der derzeitige Programmentwurf deutet auf
mindestens zwei Stunden hin. Möglicherweise mehr. Den
förmlichen Empfang im Anschluss nicht mitgerechnet. Der
Verfasser arbeitet noch an Eurer Rede. Diese Dame ist es jedoch wert, denkt Ihr nicht auch, Sir?«
»O ja!«, bestätigte Robert und bedachte Konstanze auf der
gegenüberliegenden Seite des Raums mit einem liebevollen
Lächeln. »Das ist sie.«
An anderer Stelle in der Menge und behaglich dicht am Büfetttisch stritten sich Toby Shreck und sein Kameramann Flynn
leise darüber, ob Flynns Aufnahmen einen gesprochenen
Kommentar von Toby benötigten, oder ob es reichte, wenn
man sie mit Fetzen »zufällig mitgehörter« Gespräche der beteiligten Personen sendete. Und falls man sich für die zweite Lösung entschied, ob es nicht besser wäre, die »zufällig mitgehörten« Gespräche bereits vorab zu verfassen und einzustudieren.
Robert war von der anständigen Art, war es jedoch nicht gewöhnt, auf Befehl spontan und geistreich zu sein. Und falls
man ihn überraschte, konnte seine Sprache regelrecht schockierend ausfallen. Toby schob es seiner militärischen Herkunft zu.
Als Präsident der Imperialen Nachrichten hätte Toby normalerweise Berichterstattung dieser Art seinen üblichen Experten
und professionellen Denunzianten überlassen, aber Konstanze
hatte persönlich um sein Erscheinen gebeten. Anscheinend war
sie ein großer Fan der Reportagen, die er während der Rebellion gemacht hatte. Und die Eigentümer der Imperialen Nachrichten hatten ihrem Wunsch als Gegenleistung für die Exklusivrechte nur zu gern entsprochen. Toby hatte lautstark und
ausführlich protestiert, als man ihn darüber informierte, ohne
damit auch nur das kleinste bisschen zu erreichen. Die Hochzeit und die Krönung versprachen das gesellschaftliche Ereignis des Jahres zu werden, wenn nicht des Jahrtausends, und die
Imperialen Nachrichten waren so auf die Exklusivrechte erpicht, dass sie dafür sogar liebend gern Tobys Seele verhökert
hätten.
»Das ist einfach nicht nachrichtenwürdig!«, erklärte Toby
mit Nachdruck und nicht zum ersten Mal. Er lehnte sich an den
Büfetttisch, der unter seinem Körpergewicht bedrohlich knarrte. Toby ignorierte es und zündete sich eine weitere Zigarre an,
womit er Konstanzes strenger Nichtraucherpolitik offen trotzte.
»Jedenfalls nicht wirklich. Wenn Jakob Ohnesorg durchtickt,
das ist eine Schlagzeile, aber man hat mir nicht mal erlaubt, ihn
am Raumhafen zu empfangen.«
»Was auch gut so war«, erklärte Flynn ruhig. »Du hättest nur
Fragen gestellt, für die sie uns zweifellos auf der Stelle eingeäschert hätten. Es heißt, Jakob Ohnesorg hätte inzwischen einen sehr kurzen Geduldsfaden. Und Ruby Reise war schon
immer …«
»… eine komplette, verdammte Psychopathin.«
»Absolut. Mir persönlich gefällt es hier. Niemand schießt auf
uns.«
»Bislang«, schränkte Toby düster ein. »Da draußen treiben
sich eine Menge Leute herum, die nicht möchten, dass diese
Hochzeit stattfindet. Du hast ja gesehen, welche Sicherheitsvorkehrungen man hier getroffen hat. Als ich zuletzt bewaffnete Wachleute in solcher Zahl an einem Ort
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