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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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persönlichen Schicksalsschlag empfunden hatte, dass Claire im selben Monat die Diagnose Krebs erhalten hatte, als sie mir – nach meiner Rückkehr mit Sam aus China – unabkömmlich gewesen war, betrachtete ich im Nachhinein auch als etwas Gutes. War es Gottes Fügung oder ein Wunder?
    Maura brauchte Sam nämlich genau in dieser Phase ihres Lebens, und zweifelsohne hatte umgekehrt Sam auch Maura dringend gebraucht. Als mir das klar wurde, wurde mir ganz schwer ums Herz, und ich bekam kaum noch Luft. Die Trauer um Claire legte sich jeden Morgen aufs Neue wie ein schweres Gewicht auf meine Schultern, aber trotzdem konnte ich so etwas wie einen göttlichen Plan und Güte darin erkennen.
    Allerdings war es nicht immer leicht, sich das bewusst zu machen.
    An diesem Morgen wachte Maura auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und stützte sich auf ihre Ellenbogen auf.
    »Morgen, Tante Helen«, gähnte sie und streckte sich.
    »Guten Morgen, mein Schatz«, begrüßte ich sie und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Ich hab dich lieb«, meinte sie dann mit kesser Stimme.
    »Ich dich auch.«
    Dann sah sie mir intensiv in die Augen und runzelte die Stirn. »Aber warum liege ich in deinem … oh, ach so.« Mit einem Mal war ihr fröhlicher Gesichtsausdruck wie weggewischt, was michan ihre Magische Zaubertafel denken ließ. Ihre Mundwinkel sanken nach unten und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Oh, mein armer Schatz.« Ich zog sie an mich und drückte sie ganz fest.
    »Ich will meine Mommy«, schluchzte sie.
    »Ich weiß, ich weiß.« Ich strich ihr übers Haar und ließ sie nicht mehr los, denn etwas anderes konnte ich ihr nicht geben.
    Am Sonntagabend, eine Woche nach Claires Tod, bereitete Tim Hohe Rippe zu. Ross‘ Brüder waren schon nach Hause gegangen, aber Martha, Davis, Delia, Larry und Ross waren noch geblieben, beschäftigten sich mit den Mädchen und packten im Haus mit an. Nach dem Essen tranken wir noch ein Glas Wein am Esstisch. Delia ging mit Sam und Maura ins Wohnzimmer, um mit ihnen ein Spiel zu spielen.
    Ross blickte von seinem Glas auf und sah aus, als hätte er etwas Wichtiges zu verkünden. Er war in den letzten Monaten spürbar gealtert. An den Schläfen zeigten sich die ersten grauen Haare und seine jetzt immer traurig dreinblickenden Augen waren umrahmt von Fältchen. Er setzte sich aufrecht hin, nahm einen Schluck Wein und fing an zu reden: »Die Sache ist die …« – er nahm noch einen Schluck Wein – »… ich mag nicht mehr nach Hause gehen.« Mit diesen Worten sah er mich an. »Die letzte Woche. In dem Haus. Ohne Claire. Ich hasse es. Ich kann das nicht. Ich will das nicht.«
    »Du kannst jederzeit zu uns kommen«, erwiderte ich sogleich und sah Tim an, der nickte.
    »Schön zu hören«, erwiderte Ross. »Und vielen Dank, dass wir die ganze Woche bei euch sein durften. Ich habe beschlossen, unser Haus zu verkaufen, und wenn euch das recht ist, würde ich gerne das blaue Haus gleich gegenüber von eurem kaufen. Dann wären wir Nachbarn, wenn ihr nichts dagegen habt.« Ross sah mich und Tim fragend an.
    »Das machst du, Ross!«, sagte ich. »Ich halte das für eine sehr gute Idee. Auf diese Weise kann ich dir mit Maura helfen und sie und Sam könnten nach wie vor Zeit miteinander verbringen.« Ich wusste, dass Ross noch Zeit brauchte. Sein Schmerz war noch nicht im Ansatz verheilt. Er musste noch jede Menge Trauerarbeit leisten. Deshalb konnte er jetzt noch nicht in die Rolle des alleinerziehenden Vaters schlüpfen, sondern brauchte unsere Hilfe.
    »Ich schaffe das alles ohne dich nicht, Helen.« Seine Stimme brach. Er senkte den Kopf und hielt sich die Hand vor die Augen. Seine Schultern zuckten rhythmisch, während er seinen Tränen freien Lauf ließ. Dann wischte er sich über die Augen. »Ich liebe Maura mehr als alles andere, aber alleine schaffe ich das nicht.«

KAPITEL 22
    Eine Woche später verabschiedeten wir uns von Davis und Delia, die zurück nach North Carolina fuhren. Auch Martha wollte für eine kurze Weile nach Charlottesville zurückkehren. Sie beabsichtigte, zu Ross zu ziehen, um ihm bei der Erziehung von Maura zu helfen. Tim nahm seine Arbeit im Restaurant wieder auf, und auch Ross ging wieder ins Büro. Für die anderen kehrte allmählich wieder der Alltag ein, was sie von ihrem Kummer ablenkte. Nur Sam, Maura und ich fanden in unseren kuscheligen Flanellschlafanzügen keinen guten Grund, unser gemütliches Bett mit all den Kissen und Decken zu

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