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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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nach China besorgen wollte. Außerdem wollte ich ein Geburtstagsgeschenk für Maura kaufen, die in ein paar Tagen vier werden würde. Doch wie von Zauberhand gelenkt, bog mein Auto nicht rechts, sondern links nach Arlington ab. Kurze Zeit später stellte ich es in der Wendeschleife gegenüber vom Haus meines Vaters ab.
    Sein LeSabre stand im Carport. Ich kramte im Handschuhfach nach der Packung M&Ms, schloss den Wagen ab und gingüber die Straße in den Park, wo ich mich auf eine Schaukel setzte.
    Plötzlich spürte ich, wie meine Tasche vibrierte, und ich zog mein Handy heraus. Tim rief an.
    »Hi«, meldete ich mich.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass gerade ein junges Paar gekommen ist, die zwei kleine Mädchen aus China dabei haben. Sie sind ja so süß. Ich wünschte, du wärst hier und könntest sie sehen.«
    »Du bist ein Schatz. Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch.«
    Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Mädchen aus kaputten Familien eher an den unpassenden Lebenspartner gerieten als Mädchen, die aus einem intakten Zuhause kamen – zumindest legten dies diverse Statistiken nahe. Die dahintersteckende Logik war simpel: Wer aus einer intakten Familie kommt, versucht, dieses Muster auch in der eigenen Partnerschaft zu leben und umgekehrt. Hätte die Statistik in meinem Fall recht behalten, wäre ich an einen Mann geraten, der mich nach Strich und Faden betrogen und sich in einer Krise augenblicklich auf und davon gemacht hätte. Stattdessen hatte ich mit Tim und seinen liebevollen Eltern den Jackpot geknackt.
    Vor Tim war ich mit Charlie zusammen gewesen, der vor allem durch Unsensibilität beeindruckte. Doch selbst nach unserer unvermeidlichen Trennung, bei der er mir mitten in die Augen geblickt und lakonisch gesagt hatte: »Ich bin dir eben viel wichtiger als du mir«, kam er ab und zu noch bei mir mit zwei Flaschen Hefeweizen und einer Pizza von Fratelli’s vorbei. Und obwohl ich es mir Tausende von Malen vorgenommen hatte, ihn mit einem unfreundlichen »Was willst du denn hier?« zu begrüßen, brachte ich jedes Mal nur ein umgängliches »Hallo« über die Lippen, weil in mir die Hoffnung keimte, dass er sich diesmal anders verhalten würde. Jeder Abend endetet damit, dassCharlie mir die Bluse aufknöpfte und mir ins Ohr flüsterte: »Ich will dich nicht verführen.«
Und was zum Teufel machst du dann da?,
wollte ich immer sagen, wenn er mir die Bluse auszog. Nach jedem Mal fühlte ich mich kleiner und wertloser.
    Als ich Tim kennenlernte, konnte ich nicht verstehen, weshalb er ausgerechnet mit mir zusammen sein wollte. Ich verstand nicht, was Tim in mir sah, wo doch mein Vater mich verlassen und mein Freund mich so gering geschätzt hatte. Sicher stimmte etwas nicht mit ihm, und die hässliche Wahrheit würde schon bald ans Tageslicht kommen. Oder ich konnte ihm nicht das geben, was er brauchte, und er würde deshalb auch für immer aus meinem Leben verschwinden.
    Als Tim und ich eines Nachts mit der Fähre von Venedig nach Korfu unterwegs waren, lagen wir in den Liegestühlen oben am Deck und starrten in den Himmel. Noch nie zuvor hatte ich ein so tiefes Schwarz gesehen, und die Sterne funkelten geradezu bläulich, so hell waren sie. Irgendwie erinnerte mich dieser Anblick an das Steckspiel Lite-Brite, das ich als Kind so gern gespielt hatte.
    »Liebst du mich wirklich?«, wollte ich von Tim wissen. »Kannst du mit Sicherheit sagen, dass du mich niemals verletzen wirst?«
    »Nicht alle Männer sind Schweine«, beruhigte mich Tim. »Du wirst schon sehen. Du wirst spüren, dass ich dir guttue.«
    In dem kleinen Park in einem Vorort von Arlington schüttete ich mir eine Handvoll M&Ms direkt in den Mund und kaute, während ich Larrys Haus anstarrte. Ich atmete tief ein und stieß meinen Atem ziemlich heftig wieder aus, bis ich spüren konnte, wie sich mein Brustkorb anspannte. Ich stellte mir vor, wie ich aufstand und laut an seine Tür klopfte, ohne jegliches Zögern.
Es gibt Dinge, die ich wissen muss!,
schrie die Stimme in mir. Ich schaff das schon. Was kann denn Schlimmes passieren? Doch stattdessen spazierte ich einmal um den ganzen Park herum.Ich bekam noch mit, dass sich ein Teenager auf meine Schaukel setzte und ihm sein Kumpel ein Bier in die Hand drückte und dass sie beide in lautes Lachen ausbrachen.
    Die Häuser rund um den Park waren schnuckelig und jedes in einem anderen Stil erbaut. Mit den vielen golden schimmernden Tischleuchten und Verandalampen hatten sie fast etwas von Hexenhäuschen.

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