Töchter auf Zeit
Küchentisch und habe ihnen vorgerechnet, welche Versicherungen sie unbedingt brauchen. Das war eine schöne Zeit, denn ich konnte die Vormittage mit euch Mädchen verbringen. Eure Mutter hat damals als Teilzeitkraft gearbeitet. Ich muss sagen, die Vormittage mit euch waren die glücklichste Zeit meines Lebens.« Seine Mundwinkel zuckten, und dann schaute er woanders hin.
»Wir waren viele Jahre sehr, sehr glücklich«, fuhr er fort. »Und dann habe ich alles kaputt gemacht. Ich hatte eine Affäre.«
»Wieso hast du das getan?«, wollte ich wissen. Ich nahm einen Schluck Bier, schmeckte das bittere Malz und das süße Karamell heraus und spürte, wie es meine Kehle hinunterrann.
»Es gab keinen Grund. Zumindest keinen, der Sinn ergibt. Ich war einfach ein Vollidiot. Diese Frau gab mir das Gefühl, wieder jung und attraktiv zu sein.«
»Und Mom?«
»Sie war am Boden zerstört, wollte sich aber nicht scheiden lassen.«
»Sie war schon immer streng katholisch.«
»Da magst du recht haben«, sagte Larry. »Sie hat mir klargemacht, dass sie keine Scheidung möchte, weil sie nicht will, dass ihre Kinder dieser Schande ausgesetzt sind. Deshalb haben wir uns nicht getrennt, aber sie hat mir nie verziehen. Ich war völlig ratlos, wusste nicht, was ich hätte unternehmen können, damit es zwischen uns wieder läuft. Dann war Met auf der Suche nach Mitarbeitern, die ein Büro in Philadelphia eröffnen und dort hinziehen würden. Ich wäre also ein paar Monate von zu Hause weg gewesen. Ich nahm die Stelle an, weil ich dachte, es würdeeurer Mutter guttun, wenn sie etwas Abstand von mir bekäme. Doch da hatte ich mich getäuscht. Ich hätte zu Hause bleiben und an unserer Beziehung arbeiten sollen. Doch damals dachte ich, es sei die richtige Entscheidung.«
»Und dann?«
»Bis ich wieder zu euch zurückkehrte, hatte eure Mutter das Vertrauen zu mir verloren – in jeglicher Hinsicht. In ihren Augen war ich nicht mehr der Mann, den sie geheiratet hatte. Ich glaube, ich habe sie dabei noch unterstützt, dass sie mich immer weniger beachtete, bis es für sie gar keinen Unterschied mehr machte, ob ich da war oder nicht.«
Larrys Gesicht verzerrte sich. Wieder ballte er die Hand zur Faust, diesmal so heftig, dass seine Fingerknöchel so weiß wurden wie auf einer Röntgenaufnahme.
»Und dann wurde sie krank«, presste er mit dünner Stimme hervor. »Und das war es dann mit unsere Ehe.«
Ich sah, dass sich Larrys Augen mit Tränen füllten. Dann schüttelte er den Kopf.
Ich nickte. Ich fühlte Emotionen in mir aufsteigen, vergleichbar mit Milch, die aufgesetzt wird und langsam zu kochen anfängt. Mir war klar, dass ich in etwa fünf Sekunden verschwunden sein müsste, oder aber ich würde dermaßen überkochen, dass alles zu spät wäre.
»Ich muss gehen«, sagte ich und stellte die Bierflasche auf den Untersetzer. »Danke für das Bier.«
»Helen«, sagte er, während er mich zur Tür brachte. »Ich bin froh, dass du da warst.«
Ich nickte, sah ihn den Bruchteil einer Sekunde lang an, fragte mich, ob es an meinen tränenfeuchten Augen lag, dass seine auch so feucht aussahen, und machte, dass ich in mein Auto kam.
Es war einmal, dachte ich beim Wegfahren, eine Zeit, da waren wir eine ganz normale Familie – Mutter, Vater und zweiTöchter. Doch dann ist mein Dad weggegangen und meine Mom ist gestorben und meine Schwester und ich wussten nicht, wohin mit unserer Trauer. Doch vielleicht war das ja auch normal. Vielleicht aber war es normaler, seelische Qual zu erleiden, als gar nichts zu spüren.
KAPITEL 7
Als ich unser Haus betrat, läutete das Telefon. Davis und Delia, Tims Eltern, waren dran. Die beiden stellten das Telefon grundsätzlich auf Freisprechen, sodass wir uns zu dritt unterhalten konnten. Sie waren immer äußerst liebenswürdig am Telefon.
»Wie geht es dir, mein Schatz?«, fragte mich Delia.
»Gut. Ich bin gerade erst zur Tür reingekommen. Ich war fast den ganzen Tag im Harvest.«
»Und wie geht es Tim?«, wollte sie dann wissen.
»Tim ist schwer beschäftigt. Wie immer. Er ist noch im Restaurant. Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis er heimkommt.«
»Wir wollten nur hören, wie es euch geht.«
»Uns geht es gut, ehrlich.«
»Was ist mit der Adoption? Geht damit alles in Ordnung?«
»Ja, soweit ich weiß, läuft alles bestens.«
»Wenn du und Tim wieder aus China zurück seid, werden wir euch besuchen kommen und mit anpacken.«
»Das wäre toll«, sagte ich und dachte, dass all die
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