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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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Claire mich von einem 7-Eleven in einer unwirtlichen Gegend im Nordosten von D. C. abholen musste, nachdem der Typ, mit dem ich verabredetgewesen war, mich einfach hatte stehen lassen und ich keine Möglichkeit hatte, nach Hause zu kommen.
    Als wir das Harvest betraten, erfüllten mich das warme, orangefarbene Licht, der leichte Holzgeruch, der aus der Küche waberte, und das leise Getuschel des Personals mit Stolz. Schließlich hatte auch ich zum Erfolg dieses Lokals beigetragen. Ich blickte auf die mit goldenen Fresken bemalten Wände, die flackernden Kerzen der Wandleuchter und die italienischen Wandteppiche. Vor Jahren hatte ich monatelang mit den Innenarchitekten über Farbtöne, Stoffmuster und Beleuchtung debattiert. Rustikal, aber doch elegant sollte das Harvest werden. An diesem Abend hatte ich das Gefühl, dass wir alles richtig gemacht hatten. Unsere Reisen nach Südfrankreich und Norditalien hatten sich natürlich auf unseren Geschmack und jede einzelne Entscheidung ausgewirkt. Unsere Einrichtung sollte so authentisch sein wie möglich.
    Claire sah in ihrem rubinroten trägerlosen Kleid bezaubernd aus, und auch Ross stand sein blaugrüner Merinopulli ausgezeichnet. Ich selbst hatte mich für einen langen Glockenrock, drapierte Bluse und Stiefel entschieden. Zu Hause vor dem Spiegel hatte es auch durchaus nach etwas ausgesehen, aber im Vergleich zu diesen schicken Gestalten um mich herum kam ich mir eher wie eine waschechte Zigeunerin vor und nicht wie die unkonventionelle Künstlerin, die ich hatte verkörpern wollen.
    In der Lobby standen einige Gäste, und an der Bar genossen einige deutlich vernehmbar die Happy Hour.
    »Helen! Schön, dich zu sehen«, sagte Sondra, gab mir Luftküsschen auf die Wangen, weshalb ich dann mitten in einer Wolke ihres exotischen und schweren Parfüms stand. Ihr Lidstrich war perfekt gezogen, der rauchgraue Lidschatten betonte ihre schönen Augen. Die Augenbrauen waren in eine perfekte Bogenform gezupft. Sondra hängte sich bei mir ein, als sie unsbat, mit in die Küche zu kommen. Sie trug ihr langes kastanienbraunes Haar offen, das ganz weich und samtig aussah. Ich musste wie zur Bestätigung in mein eigenes Haar fassen, das sich heute dick und fest anfühlte.
    »Das Restaurant sieht wunderschön aus«, sagte ich und strich meine Bluse glatt.
    In einer Ecke der Küche hatten wir gegenüber den Arbeitsstationen und neben den Kochzellen eine Nische mit einer Sitzecke eingerichtet. Für uns war das eine Art Stammtisch, den wir genau an der Stelle auch hatten haben wollen, zumal wir dachten, unsere Gäste würden es gewiss reizvoll finden, während des Essens eine Küche in Betrieb zu sehen. Hin und wieder wurde die Nische auch genau für diesen Zweck genutzt, aber größtenteils fanden dort Einladungen in privater Atmosphäre statt. Gelegentlich tauchten auch ein paar Promis und Bonzen aus Washington auf, die dort für sich sein wollten. Vor der Eröffnung des Harvest, während die Umbauarbeiten noch liefen, hatten Tim und ich immer in dieser Ecke gesessen, auf Klappstühlen, vor uns ein Kartentisch und ein Flasche Pinot. Überall auf den Arbeitsflächen hatten die Pläne des Architekten verstreut gelegen.
    Während wir Platz nahmen, kam Tim mit – wie ich vermutete – Lammkoteletts und Rosmarin aus dem Kühlraum. In seinem Gesicht spiegelte sich Freude, mich zu sehen, woraufhin mich ein warmes Gefühl durchströmte. Er liebte mich immer noch, nach allem, was ich ihm zugemutet hatte. Er gab mir einen Kuss auf den Mund, küsste Claire auf die Wangen und schenkte dann vier Gläser Dom Perignon ein
    »Zeit für einen Toast!«, sagte Tim und hob sein Glas. »Auf meine Lieblingsschwägerin und meinen Lieblingsschwager. Die einzigen Verschwägerten, die ich habe, aber immerhin. Na denn, auf euer Wohl!«
    »Auf zehn Jahre«, sagte Ross und hob ebenfalls seine Champagnerflöte. Dann war nur noch ein zartes Klirren zu hören, als die Gläser aneinanderstießen.
    »Auf zehn Jahre«, wiederholte Claire begeistert, aber irgendwie hörte es sich für mich ziemlich gekünstelt an.
    »Mach schon, ruf an!«, meinte Ross und nahm einen großen Schluck. Er sah ziemlich entnervt aus. »Dann fühlst du dich gleich besser.«
    »Ich will doch nur kurz mit ihr reden«, meinte Claire etwas verlegen. Sie hatte ihr Handy bereits aus der Tasche gezogen und wählte. »Es kann so viel schiefgehen.«
    »Was zum Beispiel?«, zischte Ross. »Sie ist mit
meiner
Mutter in
unserem
Haus. Was soll da bitte

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