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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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bedeutende Rolle spielten. Und dass es nicht nur ein einziges Wort für »Cousin« gebe, sondern dass es bei der Übersetzung darauf ankäme, ob es die Cousine oder der Cousin mütterlicher- oder väterlicherseits sei. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass Maura Sams
biaojie wäre
, aber Sam Mauras
biaomei
.
    Auf dem Weg zurück nach Peking ließ Max den Bus an einer Perlenfabrik anhalten. Viele solcher Orte waren nichts anderes als Touristenfallen für kaufwillige, frischgebackene Eltern, aber ich konnte nicht widerstehen und kaufte ein paar Armbänder und Anhänger für Sam und mich, Claire und Maura, Delia undClaires Schwiegermutter Martha und für Sondra, unsere Mitarbeiterin.
    Am Abend nahmen Tim und ich gemeinsam mit Amy und Tom DePalma recht spät unser Abendessen ein und machten es uns anschließend stundenlang auf den weichen Sofas in der Hotellobby bequem und redeten über Gott und die Welt: Was wir beruflich machten, und natürlich waren auch unsere Familien Thema. Angela lag der Länge nach auf ihrer Mutter und schlief tief und fest, während Amy und ich uns unterhielten. Meine neue Freundin strich ihrer Tochter liebevoll das Haar aus dem Gesicht, als wollte sie ihr sagen, alles in Ordnung, ich bin ja da. Irgendwie nahm ich in Sachen Mutterglück immer noch die Zuschauerrolle ein, doch es war zum Greifen nah. Ich konnte es allerdings kaum glauben, dass ich in wenigen Tagen Amys Rolle innehaben würde und das seidenweiche Haar meiner Tochter berühren könnte. Aufgrund der ganzen Enttäuschungen der letzten Jahre hatte ich mir angewöhnt, mir nie zu sicher und immer auf das Schlimmste gefasst zu sein.
    Am nächsten Tag packte Max uns wieder in den Bus und ab ging es zur Verbotenen Stadt, dann zu einem Museum und in einen Park. Den ganzen Morgen liefen wir von einem Denkmal zum anderen, hörten dem Reiseleiter zu und lasen die Inschriften. Dann brachte uns der Bus ins Hotel zurück. Zwei Stunden später bestiegen wir das Flugzeug, das uns in die Provinz im Süden Chinas flog, in der Sams Waisenheim lag. Max hatte unserer Gruppe beigebracht, ihm wie gehorsame Entenjunge hinterherzulaufen, die Papiere griffbereit in unseren Rucksäcken verstaut, die Pässe und Visa in den Schutzhüllen unter Hemd oder Bluse um den Hals. Mittlerweile waren wir zu erfahrenen Vielreisenden mutiert und nach einem kurzen zweistündigen Flug verließen wir das Flugzeug, checkten im Hotel ein und machten es uns auf unseren Zimmern gemütlich.
    Als sich mehrere Familien zum Essen verabredeten, sprach Tim mir aus der Seele, als er meinte, wir hätten noch keinen Hunger und würden später eine Kleinigkeit zu uns nehmen.
    Im Aufzug fragte ich ihn, weshalb er keine Lust auf das gemeinsame Essen hätte.
    »Ich könnte schon was vertragen«, grinste Tim und nahm meine Hand. »Was hältst du davon, wenn wir auf eigene Faust losziehen?«
    »Ausgehen? Nur wir beide? Aber wohin denn?«
    »Keine Ahnung. Lass uns einfach losziehen. Das haben wir in Europa doch auch immer so gemacht.«
    »Na gut«, meinte ich zögerlich, als ob meine Abenteuerlust mit einem Mal durch mütterliche Sorge ersetzt worden wäre. Schließlich würde ich morgen um diese Zeit schon eine Mutter sein.
    Wir verließen das Hotel und hatten jede Menge Visitenkarten des Hotels dabei. Max hatte uns das eingeschärft, denn wenn wir uns verliefen, könnten wir einem Taxifahrer das Kärtchen mit Namen und Anschrift des Hotels in die Hand drücken. Wir spazierten durch enge Gassen und stießen auf Märkte unter freiem Himmel; in einer Straße gab es nichts anderes als Jadeverkäufer, die ihre Ware an überdachten Ständen feilboten. Wir bogen in eine Allee ab und sahen uns an, was dort zum Kauf angeboten wurde: ganze Ziegen, die an einem Haken hingen, Schildkröten in jeder Größe, Aale, Fisch, körbeweise Skorpione. Über unseren Köpfen baumelten kreuz und quer Stromleitungen.
    Nicht weit weg vom Marktplatz kamen wir an einem kleinen Restaurant vorbei und die Düfte, die aus der Türe nach draußen zogen, lockten uns an: Knoblauch, Chili, aromatische Gewürze. Der Koch hinter dem Tresen schaute fröhlich drein und gestikulierte uns, doch hereinzukommen. Wir folgten seiner Einladung, warfen einen Blick auf seine riesigen, qualmenden Woks,sein Hackbeil, die Messer im Regal vor ihm und eine Reihe unterschiedlicher Zutaten. Der Koch winkte uns zu sich her, Tim nickte ihm zustimmend zu. Der Koch fächerte sich selbst frische Luft zu und machte große Augen. Wir tippten, dass er

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