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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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selbst wenn es nur darum geht, Streichholzschachteln oder Haarnetze in einer Fabrik herzustellen. Dafür haben wir jetzt kein Geld mehr, und die Leute wissen das. In Shanghai fließt das Leben für die Wohlhabenden, die Glücklichen, die Erfolgreichen wie ein ruhiger Fluss dahin. Für diejenigen, denen das Schicksal nicht gewogen ist, stinkt die Verzweiflung wie ein verwesender Leichnam.

    Unsere Schriftstellerfreunde führen uns in russische Restaurants und laden uns zu Borschtsch und billigem Wodka ein. Playboys - Landsleute aus wohlhabenden Familien, die in Amerika studieren und in Paris Urlaub machen - nehmen uns mit ins Paramount, den größten Nachtclub der Stadt, wo es Spaß, Gin und Jazz gibt. Mit Betsy und ihren amerikanischen Freunden sitzen wir in düsteren Cafés herum. Die Jungs sehen gut aus und sind hartnäckig, wir genießen ihre Gesellschaft. May verschwindet manchmal für ein paar Stunden. Ich frage sie nicht, wohin oder mit wem sie geht. Das ist besser so.
    Wir werden das Gefühl nicht los, abzurutschen, zu stürzen, zu fallen.
    May sitzt weiterhin für Z. G. Modell, aber mir ist nicht wohl dabei, wieder in sein Atelier zu gehen, nachdem ich so eine Szene gemacht habe. Sie stellen die Werbung für die My-Dear-Zigaretten fertig, bei der May nun eine Doppelrolle spielt; zuerst sitzt sie an ihrem ursprünglichen Platz, dann übernimmt sie meine Position auf der Stuhllehne. Sie erzählt mir davon und schlägt mir vor, an einem anderen Kalender mitzuarbeiten, für den Z. G. den Auftrag bekommen hat. Ich sitze stattdessen für andere Maler, doch die meisten wollen nur rasch ein Foto machen, um es als Vorlage zu benutzen. Ich verdiene Geld, wenn auch nicht viel. Und statt neue Schüler zu bekommen, verliere ich meinen einzigen. Als ich Hauptmann Yamasaki erzähle, dass May seinen Heiratsantrag nicht annehmen will, entlässt er mich. Doch das ist nur eine Ausrede. In der ganzen Stadt benehmen sich die Japaner seltsam. Diejenigen, die in Little Tokyo leben, packen ihre Sachen und verlassen ihre Wohnungen. Frauen, Kinder und andere Zivilisten kehren nach Japan zurück. Als viele unserer Nachbarn aus Hongkew fortziehen und sich jenseits des Soochow Creek vorübergehend im Hauptteil der Internationalen Siedlung einquartieren, schreibe ich es dem üblichen Aberglauben meiner Landsleute zu, besonders der Armen, die das Bekannte wie das Unbekannte fürchten, das Irdische wie das Entrückte, die Lebenden wie die Toten.

    Für mich ist es, als hätte sich alles verändert. Die Stadt, die ich immer geliebt habe, schenkt dem Tod, der Verzweiflung, dem Unglück oder der Armut keine Beachtung. Wo ich einst Neon und Glanz sah, erscheint nun alles grau: grauer Schiefer, grauer Stein, der graue Fluss. Während der Whangpoo mit seinen bunt beflaggten Kriegsschiffen aus aller Herren Länder einst beinahe festlich aussah, wirkt der Fluss jetzt durch die Ankunft einer stattlichen Anzahl imposanter japanischer Kriegsschiffe erstickt. Wo ich einst breite Avenuen und glänzendes Mondlicht sah, liegen jetzt Müllhaufen, durch die dreiste Nagetiere auf der Suche nach Beute huschen, und der Pockennarbige Huang und seine Schläger von der Grünen Bande gehen mit Schuldnern und Prostituierten nicht zimperlich um. So groß und prächtig Shanghai auch sein mag, es ist auf Schlamm gebaut. Nichts bleibt, wo es sein sollte. Särge, die ohne Bleigewichte vergraben wurden, schwimmen im Fluss. Die Banken stellen Leute ein, die täglich die Fundamente überprüfen, um sich zu vergewissern, dass die tonnenschwere Last aus Silber und Gold nicht zu einer Absenkung des Gebäudes geführt hat. May und ich sind von dem sicheren, kosmopolitischen Shanghai an einen Ort geraten, der ungefähr so sicher ist wie Treibsand.
    Was May und ich verdienen, gehört jetzt uns, aber es ist schwierig, etwas zu sparen. Nachdem wir Koch Geld für Lebensmittel gegeben haben, bleibt uns fast nichts mehr. Ich kann vor lauter Sorgen nicht schlafen. Wenn es so weitergeht, ernähren wir uns bald von Knochenbrühe. Sollte ich wirklich etwas sparen wollen, werde ich wohl oder übel zurück zu Z. G. müssen.
    »Ich bin über ihn hinweg«, sage ich zu May. »Ich weiß nicht, was ich je an ihm gefunden habe. Er ist zu dünn, und seine Brille gefällt mir auch nicht. Ich glaube nicht, dass ich jemals richtig heiraten werde. Das ist einfach zu bürgerlich. Alle sagen das.«
    Ich meine natürlich kein Wort davon ernst, aber May, von der ich denke, dass sie mich so gut kennt,

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