Töchter der Luft
Gehalt, das die Magna International Airlines uns zahlte, konnten wir uns das Charleroi jedenfalls nicht leisten.
Das verhalf mir zu einer Beschäftigung an diesem ziemlich trübseligen Freitagnachmittag! Packen.
Ich zog mich aus bis auf Büstenhalter und Unterrock, zerrte einen Koffer hervor, stellte ihn offen auf mein Bett, langte mir einen Armvoll Kleider aus dem Schrank und machte mich ans Werk. Welch eine Aufgabe! Damals in Village, vor der Großen Überschwemmung von 1888, oder wann immer es gewesen sein mochte, da ich mich angeschickt hatte, mich auf mein neues Leben bei der Magna International Airlines vorzubereiten, hatte Eena die Packerei für mich erledigt, wobei sie die ganze Zeit geknurrt hatte wie eine alte Bulldogge. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, was für ein System sie angewandt hatte und wie Jurgys System gewesen war, als sie am vergangenen Sonntag Donna geholfen hatte. Ich konnte mich an nichts erinnern, außer daß man die Ärmel vom kreuzweise übereinanderlegt, oder auch hinten — jedenfalls führt es zu gar nichts, wenn man die Ärmel einfach lose herabbaumeln läßt. Aber selbst mit diesem fachmännischen Wissen kam ich immer noch nicht weiter. Nach einer Stunde hatte ich einen Koffer ungefähr zur Hälfte voll mit Krimskrams, und ich war gerade auf dem Punkt angelangt, mich hinzusetzen und meine Nerven mit einer Zigarette zu beruhigen, als das Telefon schrillte.
Ray! dachte ich. Gott sei Dank!
Aber es war nicht Ray. Es war N. B.
»He, Carol«, sagte er aufgekratzt. »Wie steht’s?«
Ich sagte: »Oh, hallo, N. B. Alles ist fürchterlich. Ich bin beim Packen. Wir müssen morgen mittag hier ‘raus sein.«
»Tja. Das hörte ich von Maxwell. Willst du nicht ‘n bißchen Luft schnappen zwischendurch und ‘runterkommen auf ein Glas Limonade oder einen Kaffee oder irgendwas?«
»Oh, N. B„ es tut mir entsetzlich leid. Ich muß diese Packerei hinter mich bringen.« Junge, er konnte diesen Trick nicht zweimal mit mir versuchen. Ich wußte genau, wohin eine Limonade führen konnte!
»Hör mal, Carol, zehn Minuten hast du doch wohl Zeit.«
»N. B., wirklich nicht. Es tut mir leid.«
Ich war so kühl und bestimmt, daß er es aufgab. »Okay«, maulte er. »Wann seh’ ich dich?«
»Es tut mir leid, ich weiß nicht.«
»Ich ruf heut’ abend noch mal an, ja?«
»Ja. Tu das.«
Wir hängten auf.
Diese kurze Unterhaltung hatte mich aufgeregt. Ich zündete mir noch eine Zigarette an und brütete vor mich hin; und bevor ich sie noch zu Ende geraucht hatte, rief er wieder an. Seine Stimme klang härter. »Carol. Ich möchte dich sehen.«
»N. B., ich hab’s dir doch erklärt —«
»Zehn Minuten bringen dich nicht um.«
»Ich bin nicht angezogen —«
»Zieh dich an. Du hörst es doch. Nur zehn Minuten.«
Ich schloß die Augen. Ich ballte die Fäuste. Ich sagte im Geiste ein paar häßliche Wörter. Dann dachte ich, okay. Okay, wir werden diese Geschichte ein für allemal klarstellen. Wenn er das will, soll er’s haben. Ich sagte: »Wo bist du?«
»In der Halle.»
»Ich will dich nicht in der Halle sehen. Da sind zu viele Leute.«
»So. Wie wär’s mit der Souvenir Bar?«
»Ist es da ruhig?«
»Der ruhigste Ort, den ich kenne.«
»Nun gut, N. B., ich komme dahin, so schnell ich kann.«
Ich duschte in Eile, zog das unzusammenfaltbare Leinenkleid an, da es vor mir ausgebreitet lag, klemmte mir entschlossen die Handtasche unter den Arm und stelzte zum Fahrstuhl. Der Fahrstuhljüngling wies mir den Weg zur Souvenir Bar, und ich ging ohne Hemmungen hinein. Magna International Airlines betrachteten mich jetzt als erwachsen, Bars standen mir offen, solange ich nicht in Uniform war.
Es war ein reizender Ort, Blumen über Blumen wie üblich. Gedämpfte und angenehme Beleuchtung, ein Teppich, als wäre darunter kein Fußboden, Tische weit voneinander entfernt, mit gemütlichen kleinen Sesseln und Liebesbänken und eine verblüffende Stille. N. B. wartete an einem Ecktisch, und als ich auf ihn zukam, erhob er sich lächelnd. Er trug ein schwarzes Sportjackett mit Silberknöpfen, silbergraue Hosen und eine schwarzweiße Krawatte.
»Carol.«
»Hallo, N. B.«
»Setz dich, Liebes, was willst du trinken?«
»Einen Kaffee.«
»Okay, wie wär’s mit einem Cognac dazu?«
Ich schüttelte den Kopf. Er winkte einen Kellner herbei und gab die Bestellung auf, einen Wodka-Martini für sich, Kaffee für mich; und nachdem der Kellner verschwunden war, verschränkte er die Arme auf dem
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