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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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sie, und plötzlich spürte sie etwas Scharfes an ihrem Hals.
    »Rück raus mit der Sprache«, befahl er, seine Stimme war heiser, sein Atem ging keuchend und roch nach Zigarettenrauch und abgestandenem Bier.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Eta mit einer Stimme, die ihr selbst fremd war, leise, zitternd, angsterfüllt. Sie weinte. Sie dachte an ihre Kinder. Ihre Mutter hatte es vermutlich inzwischen geschafft, sie um den Esstisch zu versammeln. Jamal würde betteln, länger aufbleiben zu dürfen. Kylie würde ununterbrochen reden, erzählen, was heute alles in der fünften Klasse los gewesen war.
    »Willst du am Leben bleiben, Miststück?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Wo ist er? Sag es mir und du kannst nach Hause zu deiner Familie.«
    Sie zitterte am ganzen Leib. Sie würde sterben, weil sie ein Geheimnis bewahrte, das sie gar nicht kannte.
    Das Messer strich über ihren Hals. »Gib mir die Antwort. Du kannst nach Hause zu deinen Kindern. Wenn es die Wahrheit ist, lass ich dich in Ruhe – und sie auch.«
    Eta kannte die Wahrheit nicht. Sie gab ihm die einzige Antwort, die ihr einfiel.
    »Ich habe ihn in Chinatown gesehen.«
    »Chinatown.«
    Sie holte Luft, um ihm zu antworten, aber als sie zu sprechen versuchte, kamen keine Worte aus ihrem Mund, nur seltsame gurgelnde Laute. Davis ließ sie los, hob die Taschenlampe auf, richtete sie auf Eta. Sie fasste sich mit der Hand an den Hals und spürte, wie das Leben aus ihr herausrann. Es färbte ihre Hand rot.
    Sie wollte vor Entsetzen schreien, aber sie konnte nicht. Sie wollte um Hilfe rufen, aber sie schien keine Kontrolle über ihre Stimme zu haben. Sie musste husten, aber sie konnte nicht atmen. Sie ertrank in ihrem eigenen Blut.
    Sie taumelte vorwärts. Ihre Beine gaben unter ihr nach. Sie stürzte schwer auf das nasse, ölverschmierte Pflaster.
    Sie dachte an ihren Ehemann – und dann ging sie zu ihm.

20
    Diane Nicholson nippte an einem Glas mittelmäßigem Champagner und ließ ihren Blick gelangweilt über ihre luxuriöse Umgebung schweifen. Das Peninsula Beverly Hills Hotel war der Inbegriff von Klasse und Reichtum, zwei Dinge, die notwendig waren, wenn man an einer Wahlkampfparty für den Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles teilnahm. Allerdings gab es wenig in der Welt der Politik, das Diane beeindruckte. Für sie hatte diese Welt schon längst ihren Glanz verloren.
    Ihr Ehemann hatte zwölf Jahre lang in der Kommunalpolitik mitgemischt. Die zweite große Liebe von Joseph. Sein Geschäft war die erste, die Liebe, die ihn zu einem reichen Mann gemacht hatte. Diane rangierte irgendwo weiter unten auf der Liste – nach dem Golfspielen und seinem Boot. In den letzten Jahren ihrer Ehe hatten sie sich meistens nur noch dann gesehen, wenn sie Veranstaltungen wie diese hier besuchten, und selbst da war sie nur ein Accessoire an seinem Arm gewesen, wie ein Paar diamantbesetzter Manschettenknöpfe.
    Auf seiner Beerdigung hatten ihr alle seine Freunde ihr Beileid ausgesprochen und sich darin ergangen, wie sehr sie ihn vermissen würde. Aber sie hatten ihn häufiger zu Gesicht bekommen als Diane. Dass es Joseph in ihrem Leben nicht mehr gab, bedeutete, dass es auch keinen Grund mehr gab, sich besorgt zu fragen, was mit ihr nicht stimmte, weil der Mann, der sie eigentlich lieben sollte, mehr Zeit auf dem Golfplatz verbrachte als mit ihr.
    Er hatte sie geheiratet, weil sie ihm gesellschaftlich von Nutzen sein konnte. Sie sah gut aus, kleidete sich elegant, war gebildet, eloquent. Aber ihr Beruf war ihm peinlich, trotzdem hatte Diane sich geweigert, ihn aufzugeben. Und je stärker es in ihrer Beziehung deswegen kriselte, desto stärker hatte sie sich daran geklammert, voller Angst, das Einzige loszulassen, dessen sie sich sicher sein konnte, denn was die Liebe ihres Mannes anging, konnte sie das nicht.
    Ein Sprichwort behauptete, es sei besser, geliebt und verloren zu haben, als nie geliebt zu haben. Was für ein Schwachsinn. Sie hatte diese Lektion gelernt. Zwei Mal. Auf die harte Tour.
    Sie ließ sich heute zu solchen Veranstaltungen mitschleppen, weil sie gerne die stille Beobachterin spielte und weil es Kuppler abschreckte, wenn sie sich mit jemandem sehen ließ. Außerdem war sie nur unter der Bedingung mitgekommen, dass der Mann an ihrer Seite sie hinterher zum Essen einlud.
    Der Mann an ihrer Seite war Jeff Gauthier, sechsundvierzig, gut aussehend, Staatsanwalt der Stadt Los Angeles, eingefleischter Junggeselle. Sie waren seit Jahren miteinander befreundet. Nach

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