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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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über seinen Pullover und trat aus der Hintertür seines Hauses. Der Wind zerzauste ihm das Haar. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch, während er zum Tor ging. Zwei Schritte davor geriet er ins Fadenkreuz eines Zielfernrohrs, ein Hensoldt 1,5–6 ¥ 42 BL, das ursprünglich mit einem Scharfschützengewehr SIG SSG3000 geliefert, aber von dem Büchsenmacher in Baltimore an ein Vaime Mk2 angepasst worden war. Vaime war ein Markenname des finnischen Waffenherstellers Oy Vaimennin Metalli AB, und das Mk2 ein Scharfschützengewehr dieses Herstellers mit Schalldämpfer, das 7,62-Millimeter-Patronen verschoss, deren Treibladung im Vergleich zur NATO-Standardmunition geringer war. Deshalb geringer, weil das Geschoss im Unterschallbereich bleiben musste, damit die Wirkung des angebauten Schalldämpfers erhalten blieb. Und wegen der verringerten Treibladung der Patrone und der komplizierten Gasabführung des Schalldämpfers erzeugte die Waffe nur sehr wenig Rückstoß. Eine hervorragende Waffe; mit einem guten Zielfernrohr wie dem Hensoldt aus Entfernungen bis zu zweihundert Metern garantiert tödlich. Und der Mann, der sein rechtes Auge ans Okular gepresst hielt, war nur hundertsechsundzwanzig Meter von Armstrongs rückwärtigem Tor entfernt. Das wusste er genau, denn er hatte den Abstand mit einem Lasergerät gemessen. Er war Wind und Wetter ausgesetzt, aber ausreichend geschützt. Zu seiner dunkelgrünen Daunenjacke trug er eine schwarze Vliesmütze. Von den Handschuhen aus demselben Material hatte er die rechten Fingerspitzen abgeschnitten, um mehr Gefühl zu haben. Da er auf dem Boden lag, konnte der Wind ihn nicht beeinträchtigen. Er rechnete nicht mit Problemen.
    Geht ein Mann durch ein Tor, muss er für einen Augenblick innehalten, egal, in welcher Richtung das Tor sich öffnet. Dieses spezielle Tor ging nach innen auf. Das war durch das Hensoldt deutlich zu erkennen. Also würde sich zwei Sekunden lang eine perfekte Gelegenheit zum Schießen bieten.
    Armstrong erreichte das Tor. Blieb stehen. Hundertsechsundzwanzig Meter von ihm entfernt bewegte der Mann mit dem Auge am Zielfernrohr sein Gewehr minimal nach links, bis das Fadenkreuz wieder über der Zielperson lag. Hielt den Atem an. Drückte ab. Das Gewehr schlug sanft gegen seine Schulter. Die Kugel brauchte knapp über vier Zehntelsekunden, um die hundertsechsundzwanzig Meter zurückzulegen. Sie traf Armstrong mit dumpfem Klatschen hoch an der Stirn, drang in den Schädel ein und durchschlug auf ihrer schrägen Bahn nacheinander die Stirnlappen sowie das Groß- und Kleinhirn. Sie zertrümmerte den obersten Halswirbel und trat am unteren Genickrand durch das weiche Gewebe aus. Sie flog weiter, schlug im Boden ein und verschwand tief in der weichen Erde.
    Armstrong war klinisch tot, bevor er den Boden berührte. Auf ihrem Weg durch seinen Schädel verursachte die Kugel ein massives Gehirntrauma. Ihre kinetische Energie pulsierte durchs Gehirn und wurde von den Schädelknochen wie eine riesige Welle zurückgeworfen. Dabei entstanden katastrophale Schäden. Die Gehirntätigkeit hörte schon auf, bevor die Schwerkraft den Erschossenen zu Boden zwang.
    Hundertsechsundzwanzig Meter entfernt verharrte der Mann mit dem Auge am Okular des Zielfernrohrs noch eine Sekunde lang. Dann hielt er das Gewehr flach an seinen Oberkörper gedrückt und wälzte sich damit zur Seite, bis er unbeobachtet aufstehen konnte. Er zog den Ladehebel zurück, fing die heiße Patronenhülse mit seiner behandschuhten Hand auf und ließ sie in eine Jackentasche gleiten. Gelangte rückwärts gehend in Deckung und marschierte dann außer Sichtweite des Hauses davon.
    Während der Autofahrt war Neagley ungewöhnlich schweigsam. Vielleicht machte sie sich Sorgen wegen des vor ihnen liegenden Tages oder spürte die veränderte Chemie zwischen den beiden anderen. Auch Reacher saß schweigend auf dem Rücksitz, während Froelich sich durch den Verkehr kämpfte. Sie holte nach Norden aus, fuhr über die Whitney Young Bridge über den Potomac und am RFK-Footballstadion vorbei. Dann nahm sie die Massachusetts Avenue und umging so die Verkehrsstaus im Regierungsviertel. Trotzdem kamen sie auch hier nur langsam voran, sodass es fast neun Uhr war, als sie Armstrongs Haus in Georgetown erreichten. Sie parkte hinter einem weiteren Suburban in der Nähe der Sichtschirmöffnung. Ein Secret-Service-Agent verließ seinen Posten auf dem Gehsteig und kam auf sie zu.
    »Der Schlapphut ist eben gekommen«, sagte

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