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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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ich. »Warum haben Sie Ed Bayliss angewiesen, meine Position zu verkaufen?«
    »Ich hab’ gesagt, nicht jetzt. Ich hab’ gesagt, ich habe zu tun«, antwortete Etienne, ohne mich anzusehen. Er griff nach Gregs Telefonhörer.
    Ich zog das Telefonkabel aus dem Stecker. Mit wutverzerrtem Gesicht fuhr Etienne zu mir herum.
    »Eine Million Dollar hätten wir bei dieser Transaktion machen können. Statt dessen haben wir jetzt zweihundert Riesen verloren!« Mir entging nicht, daß es im Handelssaal plötzlich sehr still wurde.
    »Das Geschäft war zu groß für Ed«, erwiderte er und hatte seine Stimme kaum unter Kontrolle. »Er ist ein Anfänger. Zweihunderttausend hatte er schon verloren. Wie lange sollte ich denn noch warten? Vielleicht, bis er eine halbe Million verloren hatte?«
    »Es war meine Sache. Sie hätten mich anrufen müssen.«
    Etienne wandte sich mir jetzt direkt zu und sah mich zum erstenmal richtig an. »Und wie oft haben Sie in den letzten beiden Wochen angerufen?«
    Die Frage verschlug mir für einen Augenblick die Sprache. »Na ja, nun …«
    »Nicht ein einziges Mal!« schrie Etienne. »Sie drücken einem blutigen Anfänger mit dreimonatiger Erfahrung eine Vierhundert-Millionen-Dollar-Position aufs Auge, und dann soll er sie durch den gefährlichsten Markt schaukeln, den wir seit Jahren haben, und Sie rufen noch nicht mal an! Sie sind ein Risiko, Fairfax, ein verdammtes Risiko!«
    Ich schwieg. Hätte Etienne Ed einfach gewähren lassen, dann hätten wir die 2,4 Millionen Dollar jetzt schon fast wieder wettgemacht. Ich war wütend auf Etienne, aber auch wütend auf mich selbst. So ganz unrecht hatte er nicht. Ich hätte mich melden müssen. Hätte ich doch nur Eds Anruf beantwortet!
    Ich zwang mich, auf dem Absatz kehrtzumachen und die fünf Schritte zu meinem Schreibtisch schweigend zurückzulegen. Ed saß immer noch da wie ein begossener Pudel und wagte nicht hochzublicken.
    Verärgert verließ Etienne den Handelssaal. Greg kam herübergeschlendert.
    »War wohl kein Renner, die Position, wie?«
    »Verpiß dich!« sagte ich.
    Er lehnte sich gegen meinen Schreibtisch. »Wie geht’s so, Kumpel?«
    »War schon besser«, knurrte ich.
    »Und wie läuft die Sache in Schottland?«
    »Auch nicht besonders. Ich glaube, wir müssen FairSystems verkaufen.«
    »Schade«, sagte Greg. »Aber heißt das, daß du bald wieder zurück bist?«
    »Ich denk’ schon.«
    »Prima. Du hast uns gefehlt.« Mit einem Kopfnicken wies er auf Ed. »Der Bursche hält sich gut ohne dich. Tut mir leid, daß ich Etienne nicht daran hindern konnte, die Position abzustoßen. Aber Ed hat auf der Bondscape-Maschine ein paar glänzende Geschäfte für mich ausgeguckt.«
    »Wie schön für dich.«
    »Nein, im Ernst, er hat sich wacker geschlagen.« Und mit diesen Worten schlenderte Greg in Richtung Kaffeemaschine davon.
    Ich wandte mich Ed zu. »Also gut, ich habe einen Fehler gemacht. Von nun an stößt du keine Position mehr ab, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben. Und du wartest auf jeden Fall auf meinen Rückruf, okay?«
    »Okay.«
    »Na dann, was machen wir jetzt?« fragte ich. »Das Geschäft mit den Zehn- und den Zweijährigen bringt nicht mehr viel. Hat keinen Zweck, es noch mal damit zu versuchen. Aber das Geld, das wir letzten Monat verloren haben, holen wir uns auf jeden Fall zurück.«
    »Ich hätte da eine Idee«, sagte Ed und blickte mich etwas unsicher an.
    Ich lehnte mich zurück und streckte die Beine aus. Greg hatte völlig recht. Ed war ein helles Kerlchen. Wenn er eine gute Idee hatte, wollte ich ihn auf keinen Fall entmutigen. »In Ordnung, dann laß mal hören!« sagte ich und bemühte mich, möglichst viel Zuspruch in meine Stimme zu legen.
    »Setz das Ding mal auf!« Er deutete auf die Bondscape-Brille, die neben ihm lag. Bondscape war jetzt ständig auf seinem Schreibtisch installiert, so daß dort ein noch größeres Durcheinander als sonst herrschte. Ich rückte meinen Stuhl neben den seinen und setzte die Brille auf. Augenblicklich wurde ich in die Welt von Bondscape versetzt, mit ihren sanft gewellten Hügeln und den Gebäuden, die über die Landschaft verstreut waren. Der Eindruck war aufregend, weil man sich buchstäblich umgeben fühlte vom ganzen Arsenal der Finanzinstrumente, die weltweit einen Wert von vielen Milliarden Dollar repräsentierten. Man wurde schier erdrückt von der Größe und Macht der internationalen Kapitalmärkte.
    Wenn die Märkte in rasche Bewegung gerieten, wurde der Eindruck

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