Tödliche Aktien
uns so durch«, sagte ich. »Im großen und ganzen finde ich mich allmählich zurecht. Aber mit David hatte ich gestern einen üblen Zusammenstoß.«
»Schießen Sie los!«
Ich berichtete ihm von dem unerfreulichen Treffen mit Onada.
»Klingt merkwürdig«, sagte Sorenson. »Natürlich hatten Sie recht, das Geschäft zu verhindern, aber sehr unangenehm, daß es vor den Japanern geschehen ist. Ich begreife nicht, warum Baker ihnen das Programm geben wollte.«
»Er hat das für ein gutes Geschäft gehalten. Zwei Millionen würde es uns nach seiner Rechnung bringen. Aber ich habe die Akten durchgesehen. Im März hatte Richard die Klausel eigenhändig gestrichen.«
»Tatsächlich?« meinte Sorenson nachdenklich. »Und wie macht sich Baker sonst?«
»Ausgezeichnet, muß ich zugeben«, sagte ich. »Richards Tod hat kaum Leerlauf gebracht. David hat eine umfangreiche Kundenliste zusammengestellt, sehr professionell. Er arbeitet hart, und er kann Ergebnisse vorweisen.«
»Na ja, dann versuchen Sie mal, die Sache beizulegen. Im Moment können wir nicht auf ihn verzichten.«
»Ich will’s versuchen.«
»Hat die Polizei schon irgendeine Spur?«
»Nein, obwohl sie einen Haufen Fragen gestellt hat.«
»Ich weiß«, sagte Sorenson. »Sie hat sich sogar mit dem FBI in Chicago in Verbindung gesetzt, um festzustellen, ob ich dort am fraglichen Tag meine Rede gehalten habe. Und meinen Broker hat sie nach meinen Aktienkäufen gefragt. Natürlich haben sie nichts gefunden.« Er stand auf, um zu gehen. »Sie machen Ihre Sache sehr gut. Weiter so. Rufen Sie mich an, oder schicken Sie mir eine E-Mail, wenn Sie Hilfe brauchen.«
Am nächsten Morgen suchte ich mir einen Anzug mit dünnen blauen Streifen heraus. Ich zögerte und hielt ihn ins Licht. Nach kurzer Überlegung hängte ich ihn wieder in den Schrank und nahm statt dessen eine Baumwollhose und ein saloppes Hemd heraus. Ich wollte nicht wie David Baker aussehen.
Erst um halb neun fuhr ich zu Hause los, so daß ich kurz nach neun in Glenrothes eintraf. Die Fahrt durch die sanften Hügel von Ostfifeshire gefiel mir. Wie oft war Richard morgens auf dieser Straße entlanggefahren? Hatte er sich wie ich gefragt, was für Menschen in dem großen, düsteren Haus ein paar Kilometer vor St. Monans wohnen mochten? Oder hatte er sich ausschließlich mit FairSystems und seinen Problemen beschäftigt?
Das Begräbnis hatte mir geholfen. Es war wie ein Kristallisationspunkt für meine Trauer. Wenn ich jetzt an Richard dachte, gab es einen Ort, auf den sich meine Gedanken richten konnten. Das linderte den Schmerz.
Doch als ich unter der viktorianischen Bahnüberführung in Markinch hindurchfuhr, die wie ein altertümlicher Torweg die Einfahrt nach Glenrothes markiert, merkte ich, daß ich nach wie vor wütend war.
Auf dem Werkparkplatz hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Eine Gruppe Demonstranten bewegte sich in einem engen Kreis und trug Plakate, die ich aus der Entfernung nicht lesen konnte. Zwischen ihren Beinen flitzte ein Hund hin und her. Ein Aufnahmeteam vom Fernsehen war da, außerdem vier oder fünf Journalisten mit gezückten Notizbüchern.
Statt auf den Parkplatz einzubiegen, hielt ich fünfzig Meter weiter am Bordstein. Ich überlegte, ob ich mich von hinten ans Werk heranschleichen sollte, war mir aber ziemlich sicher, daß sie mich bemerken würden, deshalb beschloß ich, den Stier bei den Hörnern zu packen. Beim Näherkommen konnte ich die Plakate lesen: »Virtuelle Realität – Virtuelle Hölle«; »Virtuelle Realität – Opium fürs Volk«; »Sagt nein«; »Rettet die Phantasie unserer Kinder«. Als ich näher kam, hörte ich sie miteinander schwatzen. Das Ganze hatte mehr Ähnlichkeit mit einem fröhlichen Ausflug als mit einer Demonstration.
Als ich noch zwanzig Meter vom Eingang entfernt war, entdeckten sie mich. Ich hörte Rufe: »Das ist Mark Fairfax!«, »Da ist er!«, »Haltet ihn auf!«
Ich beschleunigte meine Schritte, achtete aber darauf, daß kein Laufen daraus wurde. Zwei Männer überholten mich im Hundertmetertempo und postierten sich vor dem Eingang. Der eine war eher schmächtig, der andere sah verteufelt kräftig aus. Ich zögerte. Ich konnte versuchen, an ihnen vorbeizukommen, was unter Umständen in ein Handgemenge ausarten würde. Ich konnte die Polizei rufen. Oder ich konnte stehenbleiben und mit ihnen reden. Ich wußte, daß das Fernsehteam filmte, und ich hörte Kameraverschlüsse klicken.
»Fairfax! He, einen Augenblick,
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