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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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sie besaßen nicht viel Geld, das wusste Viktoria. Nur Schulden und viele Kinder, pflegte Linas Papa scherzhaft zu sagen. Und das stimmte auch. Aber Viktoria hätte tausendmal lieber eine Familie mit hohen Schulden und vielen Kindern gehabt als eine kleine Familie und Gunnar.
    Der Schultag wollte nicht vergehen. Er zog sich hin wie ein altes Kaugummi ohne Geschmack. Es schien ihr, als würde er niemals enden. Obwohl draußen die Sonne schien und sie ihre neue Jacke trug und zumindest zwei aus ihrer Klasse, Carita und Elinor, gesagt hatten, dass sie fesch sei.
    Schließlich neigte sich auch die letzte Stunde ihrem Ende zu.
    Viktoria und Lina gingen gemeinsam über den Schulhof, aber Viktoria war so müde und desorientiert, dass sie kaum ein Wort über die Lippen brachte. Schweren Schrittes setzte sie einen Fuß vor den anderen. Bemühte sich. Kämpfte. Sah sich selbst aus der Vogelperspektive ihre Füße anheben, Schritt für Schritt vorwärts stiefeln. Sich auf dem Kies zum Fahrradständer schleppen wie eine mechanisch aufgezogene Puppe.
    Lina schloss ihr Fahrrad auf, hängte sich den Rucksack um und drückte ihren Helm auf den Kopf. Viktoria stand einfach nur da. Sie sehnte sich nach ihrem Fahrrad. Doch die Pedale ließen sich immer noch nicht bewegen. Mama hatte ihr versprochen, es zur Reparatur zu bringen, doch daraus war noch nichts geworden, und wie sie ihre Mutter kannte, würde daraus auch nicht so schnell etwas werden. Also musste sie es wohl selber wegbringen. Aber das Fahrrad war schwer zu schieben, weil sich das Hinterrad verklemmt hatte, und der Weg zu Brinks Fahrradwerkstatt war weit. Und schließlich müsste sie den ganzen langen Weg wieder zurücklaufen, was ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Gunnar besaß zwar ein Auto, doch er war der Letzte, den sie bitten wollte.
    Lina setzte sich auf ihr Fahrrad und fuhr los. Natürlich sagte sie vorher tschüss, aber sie musste sich beeilen, da sie einen Termin hatte.
    Drei große Jungen aus der Klasse über ihr überholten Viktoria mit ihren Fahrrädern, während sie langsam ihren Heimweg antrat. Keiner von ihnen machte sich über sie lustig. Einer hatte einen Fußball auf seinen Gepäckträger geklemmt, und sie brausten in Richtung Fußballplatz davon, während sie sich lautstark Witze erzählten. Es staubte regelrecht, als sie an ihr vorbeipreschten.
    Ihre Schule lag mitten in einem Park. Die Bäume ringsum waren hoch und wiegten sich im Wind. Sobald man die Straße erreichte, lag die Bibliothek gleich auf der anderen Seite. Viktoria überlegte, ob sie hineingehen und ein wenig lesen sollte, fühlte sich aber so schlapp, dass sie befürchtete, hinterher den Heimweg nicht mehr zu schaffen. Schaffen oder nicht schaffen, sie hätte ihn wohl in jedem Fall irgendwie bewältigt. Genau wie die Kinder, die damals barfuß durch den Schnee gingen. Aber es hätte sie doch einige Anstrengung gekostet. Also wählte sie die andere Richtung und bog in die Kikebogatan ab und ging ihren gewohnten Weg.
    Und das war auch gut so, dachte sie. Sie war noch nicht weit gekommen, als plötzlich etwas Lustiges passierte. Ein weißer Kastenwagen stand mit geöffneten Hintertüren am Straßenrand geparkt, und eine ihr wohl bekannte Person war gerade dabei, einige Stühle einzuladen.
    Es war Rita Olsson. Ob Rita mich wohl wiedererkennen wird?, dachte Viktoria genau in dem Augenblick, als Rita Olsson sich umschaute und sie erblickte. Sie wirkte sowohl verwundert als auch froh.
    »Nein, was für eine Überraschung!«, rief sie aus.
    »Ja«, stimmte Viktoria etwas geniert zu.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich bin auf dem Nachhauseweg«, antwortete Viktoria.
    »Aha. Und wo hast du dein Fahrrad?«
    »Das ist kaputt«, erklärte Viktoria und sah auf ihre Schuhe.
    Rita Olsson schloss die Türen, während Viktoria stehen blieb, als sei sie auf dem Asphalt festgewachsen. Ein Auto fuhr an ihnen vorbei, ansonsten war es ruhig auf der Straße. Hier standen zum größten Teil Wohnhäuser. Auf der anderen Straßenseite führte eine Frau ihren Hund aus. Der Hund war dick und hatte kurze Beine.
    »Es ist ganz schön weit bis zu dir«, sagte Rita Olsson. »Du wohnst doch im Solvägen, ist es nicht so?«
    »Ja«, antwortete Viktoria.
    Weit – das kam darauf an. Heute kam es ihr jedenfalls endlos vor.
    »Dann spring doch rein, ich fahre dich«, schlug Rita Olsson lächelnd vor, setzte sich hinters Steuer und öffnete die Beifahrertür.
    Viktoria dachte, dass sie manchmal doch Glück hatte. Absolutes

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