Toedliche Blumen
wissen, ob sie oder ihr Mann in irgendeiner Weise mithelfen konnten. Leider konnte sie nicht viel mehr berichten, als dass Viktoria den ganzen Tag in der Schule gewesen sei, dass das Mädchen einen etwas müderen Eindruck als sonst gemacht hätte, jedoch immerhin erst vor kurzem im Krankenhaus gelegen hätte. Viktoria sei wohl noch nicht wieder ganz gesund, meinte sie erklärend, was letztlich einen weiteren beunruhigenden Faktor darstellte. Lag das Mädchen irgendwo krank oder sogar bewusstlos, ohne dass jemand davon wusste? Sie befanden sich immerhin in der Jahreszeit, in der die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht am größten waren.
Die Lehrerin bestätigte, dass Viktoria meistens mit Lina zusammen war, was sie begrüßte, da Lina eine geeignete Freundin für sie sei. Sie war zuverlässig und recht gut in der Schule. Die Lehrerin war bemüht, Positives über ihre Schülerinnen zu sagen, und natürlich wollte sie mit ihren Informationen dazu beitragen, dass man Viktoria fand. Viktoria war keine besonders starke Persönlichkeit. Eher ein zerbrechliches Wesen. Nicht so selbstsicher wie Lina. Aber Viktoria war auf ihre Weise auch zuverlässig. Sie machte nach Auskunft der Lehrerin nie Schwierigkeiten und schwänzte nicht den Unterricht. Kam regelmäßig und arbeitete mit, so gut sie konnte. Sie erwähnte nicht, dass Viktoria nicht gerade ein großes Licht war und Schwierigkeiten mit dem Lesen und mit Mathe hatte. Sagte nichts darüber, da es sowieso keine Rolle spielte. Jedenfalls im Moment nicht.
Conny Larsson wurde in seinem Auto über Funk angerufen und gebeten, jemanden zu schicken, der die Mutter über den Krankenhausaufenthalt der Tochter befragen konnte, auch wenn dabei notfalls die Schweigepflicht verletzt werden musste. Eventuell würde es sogar nötig werden, dass die Polizei das Krankenhauspersonal nach dem Grund ihrer Einlieferung befragte, auch wenn sie natürlich erst einmal dem vertrauten, was die Mutter berichtete. Doch man konnte nicht vorsichtig genug sein. Alles, was sie über Viktoria in Erfahrung bringen würden, konnte von Bedeutung sein.
Das Mädchen besaß dummerweise kein Handy. Ansonsten hätten sie mithilfe ihrer Techniker den Standort des Kindes ermitteln können beziehungsweise Informationen über die aktuelle Ladekapazität oder einen eventuellen abrupten Funktionsstopp, zum Beispiel bei konstantem Wasserkontakt, herausfinden können, solange es nicht abgeschaltet war. Das war ein erheblicher Nachteil, fand Larsson.
Über ihrer Arbeit schwebte ein Gefühl von Unbehagen. Der Ausgang der Suchaktion war in alle Richtungen offen, und die Diskrepanz zwischen der einen und der anderen Alternative versuchten sie sich möglichst nicht vor Augen zu halten. Stattdessen zogen sie sich hinter den Schutzmantel ihrer Professionalität zurück, denn sie hatten gelernt, am Rande der Katastrophe zu arbeiten – und, wenn es die Situation erforderte, sogar in ihrem Zentrum.
Die Suche setzte sich ohne Pause fort. Sie wurde vom Polizeipräsidium aus organisiert und vor Ort in die Tat umgesetzt. Für den folgenden Tag beziehungsweise den Beginn der Morgendämmerung war bereits ein Helikopter angefordert. Man würde einen Hubschrauber entweder aus Stockholm oder Malmö schicken. Alles brauchte seine Zeit.
Ebenso wurden weitere Suchaktionen in angrenzenden Gebieten vorbereitet. Benachbarte Polizeidistrikte wurden informiert, man erbat Verstärkung in allen Bereichen.
Um halb drei Uhr morgens war Lennie Ludvigson, der die Stellung im Polizeipräsidium gehalten hatte, recht ausgelaugt. Seine Augen waren rot wie die eines Kaninchens, doch er fühlte sich nicht direkt müde. Eher aufgekratzt. Und endlich schienen sie einen interessanten Hinweis erhalten zu haben! Eine Frau hatte angerufen und berichtet, dass sie in der Nacht aufgewacht war und nicht wieder einschlafen konnte. Daraufhin sei sie in die Küche gegangen und hatte das Radio eingeschaltet und in ihrem verschlafenen Zustand erst nicht verstanden, um was es ging. Doch nach einer Weile, als die Suchmeldung wiederholt wurde, hatte sie schließlich reagiert. Sie hatte ein einsames Mädchen, deren Aussehen mit der Beschreibung des Profils im Radio übereinstimmte, die Hantverksgatan in der Nähe der Bibliothek überqueren sehen. Es war ungefähr gegen drei Uhr nachmittags gewesen, erklärte die Frau. Und wenn sie sich nicht getäuscht hatte, war das Mädchen in Richtung Kikebogatan weitergegangen. Sie war sich sogar ziemlich
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