Toedliche Blumen
dem Mädchen und den Nachbarn?«
»Möglicherweise ist einer von ihnen ihr Vater.«
Claesson schwieg.
»Erklär es mir noch einmal genauer.«
Louise berichtete, dass Johansson der fleißigen Verbreitung seines Erbgutes gefrönt hatte und nun einige Kinder irgendwo in Norrland sowie eins in Skåne besaß. Vermutlich war er ebenso der Vater des verschwundenen Mädchens. Es war nicht ganz sicher, aber die Mutter hatte im Hinblick auf Unterhaltszahlungen einen Rechtsanwalt aufgesucht. Bis dahin hatte sie sich irgendwie selbst über Wasser gehalten und offensichtlich auch Angst davor gehabt, dass ein Vater möglicherweise Ansprüche bezüglich des Umgangs mit seinem Kind stellen könnte.
»Was die Mutter sich genau vorgestellt hat, ist natürlich unklar, sie kann ihre Meinung nach all den Jahren ja auch geändert haben. Und um die Sache noch zu verkomplizieren, ist Johansson als Verdächtiger im Misshandlungsfall Västlund immer noch nicht ganz abgeschrieben. Wir haben keine zwingenden Beweise, aber er ist noch nicht aus dem Schneider. Ein ziemlich verzwickter Fall. Wie so manches Mal.«
»Und an welches Motiv hast du gedacht?«
»Weiß nicht genau. Vielleicht Streitereien. Doris war offensichtlich recht zänkisch und konnte ihre Umgebung erheblich unter Druck setzen … Und außerdem besaß sie eine halbe Million in einem Pappkarton.«
In ihren Augen blitzte es auf, und sie wartete gespannt auf seine Reaktion. Doch seinem fragenden Blick nach zu urteilen, war anscheinend kein einziges Wort über das Geld an die Presse durchgesickert. Sie hatten sich bemüht, dieses delikate Faktum geheim zu halten, und es war ihnen, so unglaublich es auch sein mochte, geglückt.
Claesson pfiff durch die Zähne. Für eine Sekunde vermisste er seinen Job unerhört und war versucht, sich einzubilden, dass er ganz offiziell in die aktuellen Ermittlungen eingebunden wäre. Hier saßen sie nun, er und Louise, die er so gut kannte, und versuchten, ein Problem zu lösen. Eine harte Nuss zu knacken, eine der Triebfedern ihrer Arbeit.
»Die halbe Mille verändert die Lage, oder?«, meinte sie.
»Sie lässt jedenfalls einiges in einem anderen Licht erscheinen«, erwiderte er. »Aber das muss nicht notwendigerweise so sein. Ihr habt euch bestimmt gefragt, woher sie das Geld hat?«
»Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie es beim Bingospielen gewonnen hat.«
»Und wem könnte sie es ansonsten abgenommen haben?«
»Der Einzige, den ich kenne und der reich genug ist, ist der alte Mann, mit dem sie sich ab und zu traf.«
»War er möglicherweise nicht länger an ihr interessiert, wollte sie loswerden?«
»Schwer zu glauben. Seine Tage waren hauptsächlich von Einsamkeit geprägt.«
»Ging sie vielleicht anschaffen?«
»Es kommt drauf an, was du damit meinst.«
»Prostitution.«
»Wer weiß? Möglich wäre ja alles, aber es scheint nicht besonders glaubwürdig. Sie war immerhin zweiundsiebzig. In dem Fall hätten wir wohl schon irgendwelche Gerüchte gehört.«
»Sie kann ja auch seine Gesellschaftsdame gewesen sein. Also gegen Bezahlung. Sie können sich ja dennoch gemocht haben.«
»Wenn, dann käme mir diese Variante realistischer vor.«
»Aber eine so große Summe«, überlegte er und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Ich denke, er hat ihr wahrscheinlich immer mal den einen oder anderen Tausender zugesteckt. Da kommt schon einiges zusammen. Nach dem Prinzip des kleinen Mannes. Geringe Beträge ansparen, die einem letztlich zu Reichtum verhelfen, wenn man ein wenig Geduld hat. Aber Zinsen fallen dabei natürlich nicht ab.«
»Die hätte sie bei der Bank auch nicht bekommen«, meinte Claesson. »Hast du den Eindruck gehabt, dass der Mann ein schlechtes Gedächtnis besaß? Kann er möglicherweise vergessen haben, dass er ihr bereits Geld gegeben hatte?«
»Keine Ahnung. Das kann man natürlich nicht ganz ausschließen. Ich bin kein Experte, aber er wirkte ziemlich helle im Kopf. Als ich mit ihm sprach, waren seine Äußerungen und Kommentare sowohl zusammenhängend als auch logisch. Er wiederholte sich nicht und antwortete, wie man es erwarten würde. Aber man kann ja nie wissen. Das mit dem Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis ist wohl eher eine Wissenschaft für sich, und er ist ja bereits über achtzig.«
»Kann man noch ein bisschen mehr aus ihm herauspressen?«
»Vermutlich.«
»Schau dir die Personen um ihn herum genauer an. Vielleicht hat sie emotionale Erpressung betrieben.«
»Schon möglich. Menschliche Schicksale
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