Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
kleiner Becher mit Honigwein“, beteuerte der Sichelbart.
„Halt’s Maul, Unglücksmensch! Was tun? Was tun?“
Odo war außer sich.
Er rannte hin und her, ballte die Fäuste, trommelte sich gegen die Schläfen. Unsere Männer besprachen aufgeregt die neue Lage, in die uns Sparunas Botschaft gebracht hatte. Auch ich war tief betroffen und ratlos. Mochte Waratto ein Unhold sein (was allerdings noch nicht erwiesen war) – er regierte den sächsischen Grenzgau im Namen des Kaisers. Ein fremder Machthaber hatte ihm seine Tochter geraubt und zwang sie zur Heirat. Der Kaiser selbst war damit beleidigt worden. Wir aber, seine Gesandten, waren auf dem Weg zu dem fremden Machthaber, um ihn seiner Freundschaft zu versichern und seine Geschenke zu bringen. Noch schlimmer: Wir befanden uns schon in dessen Gebiet und waren ihm damit ausgeliefert.
„Was tun?“, schrie Odo ein um das andere Mal. „Was machen wir jetzt? Sollen wir zu seiner Burg ziehen und ihn zu diesem ungeheuerlichen Schimpf, den er uns antut, beglückwünschen?“
„Wenn Ihr mich fragt, Herr Odo“, meldete sich Fulk, „dann rate ich: Machen wir es genauso wie die Filzhüte. Holen wir die Braut da heraus!“
„Nun hört euch den Eisenfresser an!“, höhnte Helko. „Hat noch nie eine Wendenburg gesehen und will was herausholen. Eine Braut aus der Mitte von Hunderten Hochzeitsgästen! Die machen dich nieder und opfern dich ihren Göttern. Ein Stück vom alten Fulk für Prove, ein Stück für Siwa, ein Stück für Radigost. Die Götter werden sich an dem zähen Fraß den Magen verderben!“
„Vielleicht mögen sie lieber ein Stück von dir!“, knirschte Fulk und griff nach dem Dolch, der ihm immer am Gürtel hing. „Ich schneide es gleich ab!“
„Warum zankt ihr euch denn schon wieder?“, rügte Rouhfaz die beiden mit der Miene des Besserwissers. „Wenn die Ehe nach ihren Gesetzen geschlossen ist und alle Bräuche beachtet wurden, dann ist es ja ohnehin zu spät.“
„Augenblick mal“, sagte Odo. „Das war eine treffende Bemerkung, Freundchen. Wenn alle Bräuche beachtet wurden … Du, komm her und antworte mir“, wandte er sich an Sparuna. „Bei uns ist es Brauch, dass die Ehe erst gilt, wenn sie … nun also, wenn sie vollzogen ist. In der Nacht … auf dem Liebeslager. Wenn der Mann mit der Frau … du verstehst?“
„Ich verstehe“, sagte der Sichelbart. „Bei uns ist genauso. Erst hinterher Ehe ist gültig.“
„Vortrefflich!“, rief Odo. „Dann ist es vielleicht noch nicht zu spät! Oder gehen bei euch die Brautleute etwa schon am helllichten Tage zu Bett?“
„Nein, am Tage beten in Tempel … machen Hochzeitszug … empfangen Geschenke … essen und trinken …“
„Also wann … wann … wann tun sie es?“
„Erst spät. Wenn Fest zu Ende ist und alle bereit sind.“
„Alle bereit sind? Wozu?“
„Hochzeitslied singen. Böse Geister vertreiben.“
„Und wann kommen die bösen Geister?“
„Wenn Brautpaar allein. In der Nacht.“
„In der Nacht … Jetzt ist es also noch zu früh.“
„Viel zu früh.“
„Männer!“, rief Odo, die Fäuste in die Seiten gestemmt. „Habt ihr gehört? Die bösen Geister kommen erst in der Nacht! Ausgezeichnet! Die Sonne ist gerade erst untergegangen. Wir werden schneller sein als die Geister! Wir werden ihnen zuvorkommen! Wir werden eher an Ort und Stelle sein!“
„Was hast du denn vor?“ Ich mischte mich endlich ein. „Du willst doch nicht etwa die Hochzeit stören? Das Brautlager verhindern? Wie willst du das tun? Gewalt scheidet aus. Also wie? Wir müssen hinnehmen, was geschieht. Alles andere würde uns schlecht bekommen.“
„Du enttäuschst mich mal wieder, Vater“, sagte Odo nach einem pathetischen Seufzer, „weil du nur an dein rundes Bäuchlein denkst statt an die Welt, die wir retten müssen! Das gewaltige Frankenreich, das sich von den Pyrenäen bis zur Saale, vom Nordmeer bis zur Stadt Rom erstreckt, ist von einem kleinen Unterkönig der Wenden beleidigt worden! Was soll werden, wenn wir so dreiste Herausforderungen nicht angemessen beantworten? Deshalb zur Tat! Wir können diesem größenwahnsinnigen Anmaßer gerade noch rechtzeitig klarmachen, was er sich damit einhandeln wird.“
„Bin gespannt, wie du das anstellen willst.“
„Hab Vertrauen und halte uns nicht länger durch ängstliche Bedenken auf.“
Natürlich musste ich mir diese Zurechtweisung nicht gefallen lassen. Doch was immer ich einwandte und an Argumenten vorbrachte – es
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