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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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haben, um so einen grauenvollen Fund zu verdienen? Aber vielleicht war ja auch alles ganz anders.
    Ich wischte die Tränen fort, die ich bis dahin gar nicht bemerkt hatte.
    Wie konnte es dann sein, dass er nach drei langen, unglücklichen Jahren selbst zum Mörder geworden war? Warum tat er das?
    Und die noch viel wichtigere Frage: Würde er wieder töten?

5
    Ich sah auf die Uhr. Es kam mir vor wie Mitternacht, dabei war es erst acht Uhr. Das Gefühl der Angst, das in mir aufstieg, wollte mir gar nicht gefallen. Blessings Wut kam aus seinem Schmerz. Seine Raserei hatte anscheinend das Ausmaß eines Schnellkochtopfes unter Druck erreicht. Warum gerade jetzt?
    Ich zog eine Jeans über und rief dann das für SoWa zuständige Revier an. Dort hatte Moira ihre letzten Tage verbracht.
    SoWa – South of Washington Street – war eines der Künstlerviertel von Boston, und mein Vermieter Jake hatte dort sein Atelier. Moiras Vermieterin wohnte immer noch dort, und dort war Blessing auch verhaftet worden, weil er ihr nachstellte.
    »Ich mache mir Sorgen«, erklärte ich dem diensthabenden Beamten. »Vermutlich ist gar nichts. Schauen Sie nur einfach mal bei der Frau vorbei.«
    »Wir kennen Blessing. Der steht immer mit einem Fuß im Knast. Wir haben vorhin eine Streife vorbeigeschickt: Der Lady geht es gut. Aber wir haben ein Auge auf sie, wegen der Geschichte in Roxbury.«
    »Super. Glauben Sie ernsthaft an die Möglichkeit, dass Blessing recht hat mit der Vermieterin?«
    Er lachte. »Nie im Leben. Als die Kleine starb, haben wir die Vermieterin von einer Galerieeröffnung geholt. Fünf, sechs Zeugen bestätigen das. Außerdem hat sie Arthritis in beiden Händen. Nie im Leben könnte die jemandem die Hände abhacken.«
    »Aber warum ist Blessing dann so auf sie fixiert?«
    »Sie ist alles, was er hat. Die Fährte ist so kalt wie ein Morgen in Maine.«
    »Was für ein Jammer. Danke für Ihre Hilfe.«
    Wenn man wie ich seit zwölf Jahren die Familien von Mordopfern in und um Boston berät, kennt man eine Menge Leute. Einige meiner Fälle waren bloße Bekanntschaften, und dabei blieb es, nachdem sie wieder aus der Hölle aufgetaucht waren. Viele andere dagegen wurden meine Freunde, schließlich gehörten wir alle zum selben Verein. Zugegeben, einem, dem niemand gern beitrat.
    Deshalb kontaktierte ich Dixie. Sie ist eine befreundete Anwältin, die in Southie – im Süden von Boston – groß geworden ist und dort immer noch wohnt. Sie hat sich auf Familienstreitigkeiten, Annullierungen und Greencard-Fälle spezialisiert. Ich hatte sie kennengelernt, als ihr Bruder in einem Leichensack in den Kummerladen eingeliefert worden war.
    »Hey, Dix«, sagte ich.
    »Also steckst du in Schwierigkeiten«, sagte sie mit ihrem breiten irischen Akzent. Den konnte sie ganz nach Belieben an- und abstellen.
    »Ich brauche Hilfe.«
    »Das überrascht mich nicht. Ich habe das mit Rollie gelesen. Dass er deine Freundin auf dem Gewissen hat und all das.«
    »Du kennst Blessing?«
    »Klar. Aber nicht besonders gut. Bisschen aufbrausend, der gute Rollie, was?«
    »O ja. Aber gewalttätig hat der Mann nie auf mich gewirkt.«
    »Könnte ich nicht beurteilen. Aber was kann ich für dich tun?«
    »Ich brauche jemanden, der mich ins Golden Shamrock begleitet – eine irische Bowlingbahn bei dir um die Ecke.«
    Dixie lachte bellend. »Du bist verrückt, weißt du das?« – »Klar bin ich das.«
    »Ich schick dir meine neue Flamme, Mick. Selbst würde ich in dieses Loch niemals einen Fuß setzen. Viel zu schäbig.«
    Dixie hatte ständig eine neue Flamme, und ihr Mick wartete vor der Tür des Bowling-Centers auf mich. Das Ding gehörte in die Kategorie »Schäbiges Lokal«, hatte eine abgeblätterte Tür, die vielleicht einmal blau gewesen war, und Fenster, die völlig vergilbt und von wer weiß was verdreckt waren. Genau genommen wollte ich gar nicht wissen, von was.
    Mick war eine Bohnenstange. Fröhlich schüttelte er mir die Hand. Er erinnerte mich ein bisschen an Dixie. Die gleichen grauen Augen, das gleiche breite Grinsen. Er zog eine Braue in die Höhe. »Sollen wir da wirklich reingehen? Das ist ’n ziemliches Loch.«
    Keine Spur von einem irischen Akzent. Der war Dixie vorbehalten. »Ich muss da rein, Mick.«
    »Dann los.«
    Drinnen zogen wir eine Menge Blicke von Bier schlürfenden Männern an der Theke auf uns. In der Bude mischte sich der Lärm von den Bowlingbahnen, der Theke und der Jukebox, die gerade Elvis’ »Love Me Tender« dudelte. Der

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