Tödliche Ernte
einfach mit jemandem sprechen, der über mehr Weisheit verfügte als ich.
* * *
Veda war am Telefon, als ich ihr Büro betrat. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, schenkte mir Kaffee ein und setzte mich ihr gegenüber.
Als sie auflegte, hielt sie die Morgenausgabe des Herald hoch. »Man sollte meinen, Sie hätten inzwischen ein aktuelles Foto von dir.«
Taylor hatte die Story über den Brand also doch gebracht. »Was soll ich dir sagen? Du darfst mir glauben, ich hatte nicht vor, noch einmal in die Schlagzeilen des Herald zu kommen.«
»Hast du in letzter Zeit mal was gegessen? Du siehst …«
»… beschissen aus? Das Gesichtslifting ist für nächste Woche geplant. Können wir uns über Wichtigeres unterhalten?«
Ich erzählte ihr, worüber Reen und ich gesprochen hatten. »Was hältst du davon?«
Veda zuckte die Achseln. »Ich erinnere mich an einen Fall in Idaho, aus den frühen Sechzigern. Ein Mann, der sich einen Kick holte, indem er Menschen zerstückelte. Jedes seiner Opfer hatte Polio. Man hatte ihm die Aufnahme an der medizinischen Fakultät verweigert, weil er Polio hatte. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass das lange vor irgendwelchen Antidiskriminierungsgesetzen war. Als die Polizei ihn ausfindig machte, behauptete er, Menschen zu töten und zu obduzieren, um ein Mittel gegen die Krankheit zu finden.«
Ich nahm einen Schluck Kaffee. »Schrecklich und traurig zugleich. Als ich vorhin ankam, habe ich gleich nachgesehen – auch Moiras Augen fehlten. Strabo hat die Maden dafür verantwortlich gemacht. Genau wie bei Elizabeth Flynn. Er täuscht sich ja selten, aber … vielleicht hat ein und derselbe Kerl sie an sich gebracht.«
Ihre schwarzen Brauen stießen aneinander. »Denk doch nur mal an die nötige Ausrüstung. An die Geschicklichkeit und das viele Personal, die nötig sind, um Augen zu entnehmen. Um sie keimfrei und brauchbar zu erhalten. Ganz zu schweigen von den Transportproblemen.«
»Ich weiß.«
Sie kam um ihren Tisch herum und nahm meine Hände in ihre. »Special Agent Maekawa hat heute Morgen mit mir gesprochen. Ich bin in Sorge. Ich hatte ja keine Ahnung, wie intensiv du dich mit der Suche nach dem Mörder deiner Freundin beschäftigst. Und deshalb musst du diese Suchaktion entweder aufgeben oder dich eine Zeit lang beurlauben lassen.«
»Wie bitte?«
Sie drückte meine Hände. »Du hast mich genau verstanden. Deine Sicherheit. Ich mache mir solche Sorgen.«
»Ich lasse mich natürlich nicht beurlauben.«
Vedas Blick war schmerzerfüllt. »Wenn du weiter finanzielle Zuschüsse vom Büro des Leichenbeschauers für das mgap haben willst, dann schon.«
Ich würgte an meiner Wut. »Das ist doch nicht deine Art, Veda. Mir zu drohen. Meinem Programm. Nur, damit ich aufhöre, nach Antworten auf den Tod einer Freundin zu suchen. Dazu hast du kein Recht.«
»Ich liebe dich. Da hast du mein Recht. Aber es geht hier ums Berufliche. Du schadest diesem Programm mit deiner Besessenheit.« Sie sah weg. »Leg dich deswegen nicht mit mir an.«
Ich sprang auf. »Klar lege ich mich mit dir an.«
»Dann solltest du das Für und Wider abwägen, Tally. Entweder lässt du die Nachforschungen sein, oder du verlässt das mgap , bis alles vorbei ist. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Ich übergab mich auf der Toilette, und meine Schläfen hämmerten. Dann kehrte ich schnurstracks in mein Büro zurück. Ich schluckte eine Schmerztablette und brütete dann über den Budgetunterlagen. Selbst mit Fördergeldern brauchten wir sowohl das Geld als auch den Zugang und die Räumlichkeiten des Leichenbeschauers. Gert würde das mgap leiten können.
Es würde schwer sein, die Worte hervorzubringen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich konnte kaum schlucken. Und es mir unmöglich vorstellen. Ich blinzelte. Ich fühlte mich in der Falle, war verwirrt. Und wütend. Wirklich wütend.
Ich schloss die Bürotür, lehnte mich dagegen und weinte. Lautlos. Immer lautlos.
Vielleicht hatte Veda ja recht. Ich sollte mich beurlauben lassen. Aber das mgap verlassen?
Blieb mir etwas anderes übrig?
Ich rief Veda an. »Du hast meinen Urlaubsantrag innerhalb der nächsten Stunde in den Händen.«
20
Ich saß im Bett, im Schoß ein aufgeschlagenes Buch. Penny schlief noch immer. Ihre Schnauze ruhte auf meinen Füßen. Sie stieß einen Seufzer hervor. Diese trägen Tage gefielen ihr.
In den letzten eineinhalb Wochen hatte ich nichts Neues über McArdle herausgefunden. Oder über Blessing. Oder Chesa, Moira,
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