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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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und fragte mit lauter Stimme:
    »Ist einer der Señores bereit, dem Gegner Don Hernans seinen Degen zu leihen? Er hat ihn zu Hause vergessen.«
    Die Offiziere blickten einander sprachlos an. Doch dann waren sie nicht mehr zu halten. Sie lachten, lachten, lachten, selbst die unwillige Miene ihres Generals konnte ihrem Gelächter nicht Einhalt gebieten. Was sich hier abspielte, war das Kurioseste, was sie je erlebt hatten. Und Ojo stimmte fröhlich in die Lachsalven ein.
    Nach wenigen Augenblicken entschloß sich ein Hauptmann, ihm seinen Degen zu leihen. Er zog ihn aus der Scheide und warf ihn Ojo zu, der ihn geschickt auffing. Dann endlich konnte der Kampf beginnen.
    Des Generals Sekundant stand mit gezogenem Degen in der Nähe, um sofort einzuschreiten, wenn der Gegner des Generals die Regeln nicht beachten sollte.
    Das gleiche hätte Michel tun müssen. Aber auch er hatte keinen Degen. Er tat überhaupt sehr
uninteressiert und stellte sich ein wenig abseits, beobachtete die Szene aber dennoch scharf
durch die gesenkten Wimpern.
Der Major gab das Zeichen.
Für einen Augenblick hörte man das helle Auf einanderklingen der Degen. Dann war plötzlich
wieder Ruhe. Die Waffe des Generals steckte in einigen Schritten Entfernung mit zitterndem
Heft in der Erde.
»Na«, fragte Ojo, »gebt Ihr Euch geschlagen, Señor?«
Don Hernán hatte ein eigenartiges Gefühl im Halse. Es war ihm, als wolle er einen Bissen
hinunterschlucken, den er nicht genügend zerkaut hatte. Die Verblüffung der feindlichen Partei
war grenzenlos.
Jetzt schaltete sich Michel ein.
»Wie ist es, hat mein Freund gewonnen?«
    Da weder der General noch sein Sekundant auch nur im entferntesten an einen solchen Ausgang gedacht hatten, blieb der Major einen Augenblick die Antwort schuldig. Doch dann stotterte er: »Ihr... Ihr, das heißt, Euer Freund, kann doch nicht einen wehrlosen Mann erstechen.« »Erstechen?« fragte Michel. »Wieso erstechen?« »Dem Sieger gehört das Leben des Besiegten.«
    »Ah, bah, mein Freund hat ganz andere Sorgen, als die um das Leben eines Generals. — Können
wir nun gehen?«
»Würde Euer Freund weiterkämpfen?«
»Gewiß, wenn es die Regeln so erfordern.«
    Über das Gesicht des Majors ging ein Blitz des Verstehens. Aha, diese Fremden kannten die Regeln eines portugiesischen Zweikampfes nicht. Um so besser. Von den eigenen Offizieren würde es niemand wagen, die Wiederaufnahme des Zweikampfs zu kritisieren. Der General stand in hohem Ansehen bei ihnen.
    So lief er denn hastig dorthin, wo die Klinge im Boden steckte, zog sie heraus und brachte sie dem General.
    Der zweite Gang begann.
    Ojo setzte zu einer Quart an. Dann aber sank sein Degen plötzlich so blitzschnell, daß der Blick des Generals nicht folgen konnte, fuhr von unten nach oben —, und das Verblüffende von vorhin wiederholte sich. Das Ganze war so schnell gegangen, daß man überhaupt nicht von Fechten sprechen konnte.
    Michel und Tscham taten sehr uninteressiert. Sie ließen sich, wo sie standen, im Gras nieder und blickten in den Himmel.
    Als der Major fassungslos auf seiner Stelle verharrte, weil er nicht wußte, ob der Sekundant des Gegners etwas dagegen haben würde, wenn er dem General den Degen abermals reichte, folgte Ojo dem Beispiel seiner Freunde und setzte sich, wo er stand.
    Der General war bleich wie der Tod. Die Begleitoffiziere traten von einem Fuß auf den anderen.
Der Garnisonarzt begann, seinen Verbandskasten langsam wieder zusammenzupacken. Niemand
sprach. Die Stille war beklemmend.
Da meldete sich Ojo.
    »Steht nicht herum, Señores, weiter, bitte. Ich will zurück ins Hotel. Ich bin müde.«
    Der Major zuckte die Achseln und reichte dem General abermals den Degen. Und dieser nahm ihn in der festen Absicht, ihn sich auf keinen Fall ein drittes Mal aus der Hand schlagen zu lassen.
    Ojo erhob sich. Während der General auf seinen Angriff wartete, ließ er den Degen spielerisch
um seinen Mittelfinger wirbeln.
»Nun fangt doch endlich an«, sagte Ojo.
    Der General stürmte vor — und schon steckte sein Degen wieder in der Erde.
    Diesmal wartete er nicht ab, bis sein Sekundant ihn wieder holte. Er stürzte selbst dorthin, zog ihn heraus und griff gleich darauf Ojo zum vierten Male an.
    Die nächsten fünf Minuten spielten sich so ab, daß der General alle paar Sekunden seinen Degen aus der Erde zog, wieder gegen Ojo anrannte, und die Waffe abermals verlor.
    Die Zuschauer mochten denken, daß dies ein für einen General unwürdiges Spiel war.

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