Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
inne. Er fuhr sich durchs Haar und blickte dann angespannt in die Runde.
»Es war Siegfried Bär. Er gibt uns eine Viertelstunde, um ihm einen Fluchtwagen zu beschaffen.«
»Sonst?«, fragte der Einsatzleiter.
»Sonst erschießt er die erste Geisel.«
»Kanther fällt aus«, sagte Richter. »Der ist sein Freund. Bleiben noch zwei: Nora und Krüger. Nora behält er sicher bis zum Schluss.«
»Kanther ist keine Bank. Bär weiß inzwischen, dass er die Polizei hergelockt hat«, erwiderte Hartmann. »Der einzige Grund, warum er ihn bisher nicht getötet hat, ist, weil er ihn noch braucht. Besorg einen Wagen, Gideon, aber lass ihn vorerst draußen vor der Absperrung.«
Richter nickte und eilte davon, um sich um den Fluchtwagen zu kümmern.
Hartmann sah den SEK-Leiter an. »Es ist nur von Vorteil, wenn wir sie aus der Halle rausbekommen«, sagte der. »Hier draußen ist er leichter angreifbar.«
»Der Wagen darf das Gelände keinesfalls verlassen. Ich will kein zweites Gladbeck hier in Frankfurt, verstanden?«
»Wenn er beim Wagen ist, müssen wir ihn irgendwie ablenken, damit er sich kurz von seiner Geisel abwendet. Dann hat der Scharfschütze freie Bahn.«
Hartmann sah auf seine Armbanduhr. Noch elf Minuten.
Acht Minuten später rollte eine Audi-Limousine mit dunkel getönten Scheiben vor die Absperrung. Richter kam im Laufschritt zurück und bestätigte das Eintreffen des geforderten Fluchtwagens. Hartmann erklärte, er wolle Bär noch eine Weile schmoren lassen.
Als das Ultimatum abgelaufen war, wählte er Kanthers Handynummer, aber es kam keine Verbindung zustande. Er ließ sich von einem Streifenbeamten ein Megafon geben. Es jaulte mit einer grauenhaften Rückkopplung, bis der Beamte den Lautstärkeregler zurückgedreht hatte.
»Herr Bär?« Hartmanns verzerrte Stimme hallte über das Gelände. »Wir sind noch nicht so weit, geben Sie uns noch ein paar Minuten, okay?«
Weitere fünf Minuten vergingen. Dann drang plötzlich ein ohrenbetäubender Schuss aus dem Inneren der Halle. Die Vögel auf den umliegenden Dächern stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander. Die Männer duckten sich erschrocken.
»Verdammte Scheiße!«, presste Hartmann hervor.
Die kleine Seitentür schwang auf. Kanther erschien in der Türöffnung. Er schleifte einen blutverschmierten Körper nach draußen, legte ihn ab, schüttelte warnend den Kopf in Richtung der Polizisten und verschwand wieder in der Halle.
Auf den Befehl des Einsatzleiters hin rannten zwei Vermummte in gebückter Haltung zu dem leblosen Körper und schleppten ihn von der Tür weg. Sie trugen ihn direkt zu einem der drei Krankenwagen, die sich zu den Einsatzwagen gesellt hatten.
Richter und Hartmann sahen sich vielsagend an.
»Das war Krüger«, sagte Richter. »Schmoren lassen funktioniert bei einem wie Bär nicht.«
»Bring den Wagen her. Du nimmst die Schlüssel. Wenn sie rauskommen, müssen wir Bär irgendwie ablenken.« Hartmann sah zum Dach des Universitätsgebäudes empor. »Lass dir was einfallen, Gideon. Er darf auf keinen Fall mit Nora abhauen.«
Richter sah Hartmann lange an. Dann lächelte er. »Der kommt hier nicht lebend raus.« Wenige Augenblicke später ertönte Hartmanns krächzende Stimme erneut aus dem Trichter des Megafons. Der Wagen war bereit.
Die Seitentür des Papierrollenlagers schwang auf. Zuerst trat Kanther ins Sonnenlicht. Er zog einen silbernen Rollenkoffer hinter sich her und sah aus wie ein desorientierter Tourist. Ihm folgte Siegfried, der Nora als lebenden Schutzschild vor sich hertrieb. Er presste die Mündung der Heckler & Koch P 30 an ihre Schläfe. Kanther stand einen Moment unschlüssig da und blinzelte ins Sonnenlicht. Dann hielt er die Hand über die Augen und blinzelte hoch zum Dach des gegenüberliegenden Gebäudes. Siegfried brüllte ihm etwas zu. Kanther setzte sich mit dem Koffer langsam in Bewegung, Siegfried und Nora schlossen hinter ihm auf.
Das Knirschen unter den Sohlen der Männer war das einzige Geräusch in der näheren Umgebung der Halle. Nora ging barfuß, die Kripo- und Streifenpolizisten, die Sanitäter, Ärzte und SEK-Mitglieder schienen allesamt die Luft anzuhalten.
Die Dreiergruppe näherte sich dem Audi, der etwa zehn Meter vor dem Haupttor der Halle geparkt war und mit seinen vier geöffneten Türen wie ein absprungbereites Raub tier wirkte. Als sie die Limousine erreicht hatten, bückte sich Siegfried hinunter und warf einen kurzen Blick in den Innenraum, ohne dabei die
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