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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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verraten. Im Zimmer gab es außer der Kommode, dem Bett und dem winzigen Bad keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Es war also nur eine Frage von Sekunden, bis er sie entdeckte. Wenn er sie gefunden hatte, würde er sie fesseln wie ihre Mutter, sich auf sie setzen, ihr die Luft abschnüren. Dann würde sie tot sein.
    Der Mann ging in die Knie, stützte sich mit den Händen auf den Boden. Wie Onkel Dan, auf dessen Rücken sie in ihrer Erinnerung geritten war.  
    Gleich würde der Mann unter das Bett und ihr direkt in die Augen sehen. In dem Moment hallte aus dem Hof Kindergeschrei herauf.
     
    Er fragte sich, ob er das Atemgeräusch wirklich gehört hatte oder ob es eine Sinnestäuschung gewesen war, auf seine zum Zerreißen gespannten Nerven zurückzuführen. In der Kom-mode steckte das Kind jedenfalls nicht. Es gab in diesem Raum nur wenige Möglichkeiten, sich zu verstecken.
    Er musste vorsichtig sein. Natürlich konnte er das Kind einfach aus der Dusche oder unter dem Bett hervorzerren. Aber wenn es anfing zu schreien – er ahnte, dass Kinder so etwas taten, wenn sie Angst hatten –, riskierte er erheblich größere Schwierigkeiten. Es wäre besser, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen.
    Er ließ sich auf die Knie herab, um unter das Bett zu sehen. Im gleichen Moment hörte er ein Klappern und eine Kinderstimme von draußen. Er drehte sich um, betrachtete das Fenster zum Hof, fassungslos. Es stand einen Spaltbreit offen. Warum war ihm das nicht sofort aufgefallen? Er wusste sicher, dass es vor einer halben Stunde noch geschlossen war.
    Er sprang auf und hastete zum Fenster, riss es bis zum Anschlag auf und lehnte sich hinaus. Eine Feuerleiter führte im Zickzack in den Hof. Von ein paar Stufen weiter unten starrte ihn ein Junge erschrocken an, nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann ergriff das Kind die Flucht und sprang die Metallgitterstufen hinab. Das Scheppern hallte im ganzen Hof wider.
    Er durfte keine Zeit verlieren. Der Mann schwang sich über die Fensterbrüstung und seine Füße prallten mit einem dumpfen Schlag auf. Ihm fiel ein, dass er die Tasche mit der Kamera im Zimmer zurückgelassen hatte. Er hechtete ins Zimmer zurück und schnappte sie. Ihm blieben nur wenige Sekunden, um das Kind zu erwischen. Wenn der Junge erst einmal auf die Straße gelangt war, konnte er ihn nicht mehr aufhalten.

16. März
    Das kleine Mädchen fährt auf Rollschuhen. Trotz der Schläge, die die Unebenheiten des Steinfußbodens verursachen, bewegt sie sich sicher. Die Vibrationen lassen die Haut an ihren Oberschenkeln prickeln. Der Fahrtwind zerzaust ihre Haare, in ihrem Mund noch der Nachhall der erfrischenden Säure von Sommerobst. Sie durchquert eine Halle, die so unermesslich groß ist, dass die Wände durch den Dunst nicht zu erkennen sind. Ihre Mutter steht da, am entgegengesetzten Ende, mit ausgebreiteten Armen, ein warmes Lächeln im Gesicht. Klein wie ein Püppchen ist sie, weit weg. Die Rollschuhe rasen auf sie zu, aber die Mutter entfernt sich, sie schwebt davon. Das Sirren der Kugellager unter ihren Füßen wird lauter, schwillt an. Plötzlich ist da noch ein Geräusch, das sich nähert: ein Schnauben wie von einem Raubtier, das seine Beute ins Visier genommen hat. Sie wagt es, einen Blick zurückzuwerfen. Kein Tier, ein Mensch. Schulterlange weiße Haare, das asketische Gesicht braun gebrannt, um den Hals ein Seidenschal. In den Höhlen nicht die Augen ihres Vaters, sondern die eines Räubers, der Blut gewittert hat. Er verfolgt sie, läuft schneller, als sie auf ihren Rollschuhen zu entkommen sucht. Sie treibt sich an, muss schneller werden. Das Lachen im Gesicht ihrer Mutter ist verschwunden. Auf einmal hält sie eine kleine goldene Glocke in der Hand, ganz leise erklingt ihr feenhafter Ton. Ihr Verfolger ist inzwischen so nah, dass sie seine Hitze spürt, den fauligen Atem riecht. Seine Schuhe klatschen auf den Steinfußboden. Es klingelt. Das Mädchen fliegt durch die Halle, spürt, wie die Muskeln in den Oberschenkeln aufschreien, eine Drohung, im Krampf zu erstarren. Hinter sich das Knurren ihres Vaters, vor sich das glasklare Läuten der Glocke, anschwellend. Sie kämpft gegen die aufsteigende Panik. Das Knurren in ihrem Rücken wird zu einem Bellen, das Bellen zum Brüllen, ihr Verfolger setzt zum Sprung an.
    Nora saß kerzengerade im Bett. Ihr Herz raste und obwohl es im Schlafzimmer kühl war, glänzte ein Schweißfilm auf ihrer Haut. Sie strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Das

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