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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Flüssigkeitsspender an der Wand, in dem das Desinfektionsmittel blau schimmerte, wirkte in diesem Kindergartenambiente fehl am Platz. Mittendrin Agniezka Anghel, die dem üppigen Angebot keinerlei Beachtung schenkte.
    Sie wirkte genauso, wie Nora sie im Laufhaus vorgefunden hatte: das Gesicht versteinert, den Oberkörper vor- und zurückwiegend wie ein Metronom in Zeitlupe. Die Kamera zoomte an ihr Gesicht heran. Als die Nahaufnahme den gesamten Bildschirm ausfüllte, stoppte Nora die Wiedergabe und wandte sich an die Kollegen im Sitzungsraum, die sie spät am Abend noch auf den neuesten Stand bringen sollte. »Die Leiterin des Kinderpsychiatrischen Zentrums an der Uniklinik, wo die Kleine vorläufig untergebracht ist, ist der Meinung, dass sie an einer Form von Mutismus leidet, einem psychogenen Schweigen. Der Schock, den Mord an ihrer Mutter mitanzusehen, hat einen psychischen Rückzug ausgelöst. Sie lässt niemanden an sich heran, spricht kein Wort, reagiert schreckhaft auf Berührung und auf Ansprache überhaupt nicht. Sie muss gefüttert werden wie ein Kleinkind, lässt aber alles mit sich geschehen, so müssen wir sie wenigstens nicht künstlich ernähren.«
    Bei dem Gedanken, Agniezka in einem Krankenhausbett statt in einem Spielzimmer zu sehen, mit dem Versorgungsschlauch einer Magensonde in der Nase, wurde ihr beinahe übel.
    »Das heißt, als Zeugin ist sie für uns unbrauchbar?«, wollte Hartmann wissen, der wie immer die Sitzung leitete.
    »Im Moment bekommen wir nichts aus ihr heraus«, bestätigte Nora. »Aber das wird sich sicher ändern.«
    »Wann?«
    Die hohe Stimme kam vom anderen Ende des ovalen Sit zungstisches. Der Mann trug einen maßgeschneiderten Anzug mit Einstecktuch und einem kleinen schwarz-rot-goldenen Parteianstecker am Revers. Dr. Broussier, persönlicher Referent des hessischen Innenministers, hatte eine Augenbraue hochgezogen und eine spöttische Miene aufgesetzt. Ungeduldig drückte er einen Kugelschreiber auf und zu.
    Das Klicken machte Nora nervös. Sie konnte nicht umhin, fortwährend auf Broussiers makellos manikürte Fingernägel zu starren. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es kann ein paar Wochen dauern. Monate vielleicht.«
    »So viel Zeit haben wir nicht, Frau Winter«, antwortete Broussier. Er gönnte seinem Kugelschreiber eine Pause. »Wir brauchen schnelle Ergebnisse. Die Menschen wollen sich in dieser Stadt sicher fühlen. Es ist die Aufgabe der Exekutive, diese Sicherheit zu gewährleisten. Benötigen Sie mehr Ressourcen? Sagen Sie es nur, wir können Kollegen aus anderen Dienststellen hinzuziehen.«
    »Das ist keine Frage der Ressourcen, sondern eine Frage der Zeit«, erwiderte Nora. »Wir müssen bei der Befragung unserer kleinen Zeugin vorsichtig vorgehen. Wenn wir zu forsch sind, bekommen wir vielleicht eine Aussage, aber machen ein psychisches Wrack aus ihr. Frage ich zu direkt, wird sie das Trauma eventuell noch einmal durchleben. Ob sie dann jemals in die Normalität zurückkehren kann, ist ungewiss. Wollen Sie dafür die Verantwortung übernehmen?«
    Broussier schüttelte verständnislos den Kopf. »Ihre Aufgabe und die ihrer Kollegen ist nicht, sich um das psychische Wohl der Zeugen zu kümmern, Frau Winter, sondern die Aufklärung von Verbrechen.«
    »Wollen sie eine Zeugenaussage um jeden Preis?«, fragte Nora wütend. »Was ist mit den anderen Spuren? Im Haus muss doch jemand den Mörder gesehen haben!«
    Broussier klappte demonstrativ seine Akte zu und sah zu Hartmann hinüber. »Wir brauchen einen Durchbruch. So schnell wie möglich. Das ist bereits die dritte Tote und eine vierte darf es nicht geben. Ich möchte einen Bericht bis Ende dieser Woche. Wenn Ihre Gruppe nicht bald weiterkommt, werden wir über personelle Konsequenzen nachdenken müssen.« Damit stand er auf, gab Hartmann – lediglich Hartmann – im Vorbeigehen flüchtig die Hand und verschwand wortlos, ohne die Tür zum Sitzungsraum hinter sich zu schließen.
    Nora saß kopfschüttelnd da. »Personelle Konsequenzen. Was soll das denn heißen?«
    Hartmann packte mit zusammengepressten Lippen seine Unterlagen zusammen. »Wenn wir nicht sehr flott Ergebnisse liefern, wird die Ermittlungsgruppe aufgelöst.«
    »Das ist ja lächerlich!«, schnaubte Nora. »Und dann?«
    »Dann«, sagte Hartmann und bedachte sie mit einem eisigen Blick, »wird der Fall ans LKA übergeben und wir bekommen vermutlich einen Eintrag in die Personalakte.«
    Nora lachte. »Weswegen denn? Weil wir diesem Speichellecker

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