Tödliche Gier
ihr gelegener, als ihn los zu sein.«
»Warum? Ich meine, sagen wir nur der Argumentation halber, dass sie ihn hat entführen lassen und er gegen seinen Willen festgehalten wird. Was ist ihr Motiv? Geld kann es nicht sein. Es ist keine Lösegeldforderung gestellt worden, und niemand hat Kontakt aufgenommen, um etwas auszuhandeln.«
Blanche lehnte sich vor. »Hören Sie. Bevor sie meinen Vater geheiratet hat, hat sie eine voreheliche Vereinbarung unterschrieben, der zufolge sie bei einer Scheidung absolut nichts bekommt.«
»Moment mal. Nicht so hastig. Sie haben mir noch nicht erklärt, wie sie profitieren will, wenn sie ihn hat entführen lassen.«
»Ich behaupte ja nicht, dass sie ihn hat entführen lassen. Ich behaupte nur, dass sie weiß, wo er ist.«
»Was hat das mit einer vorehelichen Vereinbarung zu tun?«
»Sie hatte eine Affäre.«
»Das hat Ihre Mutter auch schon erwähnt. Sie meinen Clint Augustine?«
»Genau. Jetzt will sie ihre Freiheit, aber sie will auch das Geld. Wenn sie sich scheiden lässt, kriegt sie gar nichts. Sie hat nur etwas davon, wenn Daddy stirbt.«
»Was er laut Nancy noch nicht getan hat.«
»Eben.«
»Warum sollte sie etwas so Auffälliges riskieren wie eine Affäre mit ihrem privaten Trainer? Würde sich das nicht herumsprechen?«
»Er war ihr privater Trainer. Jetzt ist er es nicht mehr. Als sie angefangen hat, mit ihm ins Bett zu steigen, haben sie vermutlich abgemacht, die öffentliche Seite ihrer Beziehung aufzugeben. Die Gerüchte haben trotzdem die Runde gemacht.«
»Und woher wussten Sie davon?«
»Von Mutters Freundin Dana Glazer. Sie und ihr Mann haben ein Haus in Horton Ravine. Joel ist einer von Daddys —«
»Arbeitgebern. Ja, davon habe ich gehört.«
»Das Anwesen der Glazers grenzt direkt an Daddys Grundstück. Es ist nur ein kleiner Zaun dazwischen. Sie haben ein Gästehäuschen dort hinten, und Crystal hat gefragt, ob sie es eventuell vorübergehend an einen Freund von ihr vermieten würden. Sie hat behauptet, er hätte ein Haus gekauft, das er renovieren müsse, und die Arbeiten wären erst im Frühherbst beendet. Das war im Januar. Jedenfalls benutzten die Glazers das Häuschen ohnehin nicht, und so beschlossen sie einzuwilligen. Sie haben achthundert Dollar im Monat verlangt, und der Typ hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Als Dana aber mitbekam, was sich abspielte, war sie entsetzt. Sie fand es absolut widerlich, und deshalb hat sie nie auch nur ein Wort zu meiner Mutter gesagt. Aus Angst, sie zu verletzen.«
»Warum hat sie es Ihnen erzählt?«
»Hat sie gar nicht. Ich habe es von einer anderen Freundin erfahren. Dana hat die Geschichte bestätigt, aber nur, weil ich sie bedrängt habe. Glauben Sie mir, ich tratsche nicht.«
»Das tun die wenigsten. Es hält die meisten aber nicht davon ab, Stuss weiterzuverbreiten. Warum hat ihn Dana nicht rausgeworfen, wenn sie die Situation so abstoßend fand?«
»Weil er einen Mietvertrag für ein halbes Jahr unterschrieben hat. Jetzt ist er ja zum Glück weg. Sie können gern mit ihr sprechen, wenn Sie mir nicht glauben. Ich meine, Dana muss es schließlich wissen. Es hat sich direkt vor ihren Augen abgespielt. Meine arme Mutter. Sie glaubt immer noch daran, dass Daddy zu ihr zurückkommt. Schlimm genug, dass er sie wegen so einer... Schnepfe verlassen hat, aber die Tatsache, dass Crystal es immer noch wild treibt , lässt Daddy noch dümmer dastehen.«
»Zu welchem Schluss bringt uns das?«
»Crystal will seinen Tod. Sie will ihn aus dem Weg haben«, erwiderte sie mit dem ersten Anflug von Gefühl, den ich an ihr erlebte. Ihr Mund zitterte, und sie begann hektisch zu blinzeln. Sie wandte den Blick ab, sah in den Flur hinaus und brauchte einen Moment, um sich zu fassen. Ich sah, wie sich unter der Schwangerschaftsbluse etwas in ihrem Bauch bewegte, vermutlich der Fuß des Babys. Ich begriff, warum manche Leute ganz spontan die Hand ausstrecken, um die Hand auf einen solchen Bauch zu legen. Blanche richtete ihre Äußerungen an die andere Seite des Zimmers. »Glauben Sie mir, sie hat Daddy seines Geldes wegen geheiratet. Die voreheliche Vereinbarung war nur eine Farce. Vielleicht war es ihr seinerzeit ernst damit, aber dann ist ihr Clint begegnet, und sie hat sich mit ihm eingelassen. Wie gesagt, wenn Daddy stirbt, erbt sie den größten Teil seines Nachlasses, und dann ist sie fein raus. Wenn sie sich scheiden lässt, bekommt sie nichts. So einfach ist das.«
»Blanche, Sie wissen nicht sicher, ob
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