Tödliche Jagd
wäre man nicht weit
gekommen.«
Die Tür ging auf, der Mönch erschien wieder,
trat einen Schritt zur Seite und bat uns näherzukommen. »Der
Guru wird Ihnen fünf Minuten widmen, aber er ist sehr müde.
Es wäre nett, wenn Sie ihn nicht länger beanspruchen
würden. Weitere Gespräche mit ihm sind nur nach vorheriger
Vereinbarung möglich.«
Ich ging in das Zimmer, Helen folgte mir
nur zögernd, und sah mich schnell etwas um. Es war ein
großer Raum mit präch tigen chinesischen Wandteppichen,
zweifellos Sammlerstücken, und ebenso erlesenen handgewebten
Seidenteppichen auf dem Boden. Pendlebury kniete vor einer alten
Buddhastatue in einer kleinen Nische. »Er wird Sie nicht lange
warten lassen«, flüsterte mir der Mönch zu, ging hinaus
und schloß leise die Tür hinter sich.
Ein Holzfeuer brannte in einem schmiedeeisernen Korb
im Kamin, typisch englisch, doch der Ebenholz-Schreibtisch stammte aus
China, desgleichen das Porzellan in der Nische neben dem Kamin. Eine
ganze Reihe von Figuren und Schalen und vier, fünf Vasen. Ich ging
hin, um sie mir näher anzuschauen.
»Sie interessieren sich für meine kleine Sammlung?« fragte die melodiöse Stimme.
Er war älter, als ich ihn dem ersten Eindruck
nach geschätzt hatte, mit tiefen Tränensäcken unter den
Augen, die Haut spannte über den Backenknochen. Er schien
irgendwie ohne Alter, doch dann erkannte ich in ihm den alternden
Schauspieler, der nur noch auflebt, wenn er auf der Bühne steht,
ansonsten in Lethargie versinkt.
Es war irgendwie rührend, als er fast
zärtlich mit dem Finger eine Figur antippte, eine Frau mit
Kopftuch und spitzem Strohhut auf einem Pferd.
»Ein Meisterwerk aus der Zeit der Ming-Dynastie.«
»Diese Sammlung muß ein Vermögen wert sein«, bemerkte Helen.
»Kann man für Schönheit einen Preis
nennen?« fragte er und war wieder in die Rolle geschlüpft,
die er zu spielen hatte. Er ging zum Schreibtisch und setzte sich.
»Wie kann ich Ihnen dienen? Sie suchen meinen Rat?«
»Man könnte es so
ausdrücken.« Ich nahm Helen am Arm und geleitete sie zu dem
Stuhl vor dem Schreibtisch. »Mein Name ist Ellis Jackson. Sagt
Ihnen das etwas?«
Meine Frage wirkte bei ihm, als hätte ich ihm in
den Unterleib getreten. Er wurde mit einem Schlag um Jahre älter,
aschfahl, jeder Blutstropfen wich aus seinem Gesicht.
Er versuchte, den Unschuldigen zu mimen, doch das
mißlang ihm gründlich. »Ich – ich fürchte
nein.«
»Das überrascht mich denn nun doch«,
widersprach ich ihm. »In Anbetracht der Tatsache, daß Sie
erst gestern abend jemandem tausend Pfund dafür geboten haben,
daß er mich umbringt.«
Inzwischen hatte er sich wieder einigermaßen
gefaßt. »Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie
sprechen. Wir befassen uns hier mit der Erkenntnis des Wahren Wegs zu
einem höheren Ich. Wie könnten wir dies mit dem Versuch
vereinbaren, den Tod eines Mitmenschen herbeizuführen?«
»Sparen Sie sich diesen Quatsch für Ihre
zahlenden Besucher auf. Meine Freundin hier hat ein Problem, bei dessen
Lösung Sie uns behilflich sein können. Ihr Bruder ist
verschwunden, und aus irgendeinem Grund habe ich vollstes Vertrauen in
Ihre Fähigkeit, uns sagen zu können, wo er ist.«
Pendlebury sah Helen unsicher an. »Ihr Bruder? Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Brigade-General James Maxwell St.
Claire«, ergänzte ich. Er sprang von seinem Stuhl auf, und
im selben Moment legte sich ein Arm um meinen Hals. Ich vermutete,
daß dieser Angreifer sich hinter einem der Wandteppiche verborgen
hatte – oder es, was wahrscheinlicher war, eine Geheimtür
gab.
Ich trat ihm jedenfalls mit dem Absatz so
fest auf seinen nackten Fuß, daß einige Knochen zu Bruch
gingen, und stieß beide Ellenbogen nach hinten, so daß ich
ihn unterhalb der Rippen traf. Aber er war ein zäher Kerl –
unheimlich zäh. Er klammerte sich mit aller Kraft, die in ihm
steckte, an mich, weil er sein ganzes Leben nichts anderes getan hatte,
als das zu erlernen. Nur der Druck seines Arms um meinen Hals
ließ etwas nach, nicht sehr viel, doch genügte es mir, mit
meinen Händen seine Handgelenke zu packen. Ich befreite mich aus
seinem Würgegriff, ließ mich auf die Knie fallen und
schleuderte ihn durch das Zimmer. Er stieß dabei Pendlebury
mitsamt seinem Stuhl um, der flog gegen das Regal in der Nische, und
seltenes Porzellan im Wert von mehreren tausend Pfund zerschellte auf
dem Boden. Einige der Prunkstücke
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