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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Schüler
eines alten japanischen Meisters, der bereits einige Zeit in London
lebte, mit Zen. Er machte mich mit Chen-Kuen bekannt, der mir in den
Jahren danach sehr viel geholfen hat. Ich schrieb mehrere Bücher
und gelte auf diesem Gebiet als nicht unbedeutende
Autorität.«
    »Und irgendwann ist er dann wieder
auf der Bildfläche erschienen und hat dir angeboten, in Sidbury
einen eigenen Laden aufzumachen.«
      »Woher wissen Sie das?« fragte er
erstaunt, wartete jedoch die Antwort nicht ab und fuhr fort.
»Mein Problem ist, daß ich zu schwach bin.« Richtiges
Pathos schwang in seiner Stimme mit, als er dies sagte. »Ich war
nie völlig überzeugt und mochte einige der Dinge nicht, in
die ich hineingezogen wurde, doch da war es bereits zu
spät.«
      »Und was hat er gegen dich in der Hand? Hast
du's mit kleinen Jungs getrieben oder verkehrst du in öffentlichen
Toiletten?«
      Vermutlich war ich angesichts der Umstände zu
grob mit ihm umgesprungen, denn er zuckte zusammen, als hätte ich
ihn geschlagen, und verfiel in dumpfes Schweigen. Offensichtlich war
ich der Wahrheit näher gekommen, als ich gedacht hatte.

    Durch Bridgewater und weiter nach Taunton folgte ich dem schmalen
Lichtband, das die Straßenlaternen in die Dunkelheit zeichneten.
Ich konnte ungehindert meinen Gedanken nachhängen, denn Pendlebury
saß neben mir, als würde er überhaupt nicht mehr
existieren.
      Ich ließ alles im Geiste noch einmal Revue
passieren: – Tay Son und meine erste Begegnung mit St. Claire,
Chen-Kuen, Madame Ny – mir war das alles bis in Einzelheiten ganz
deutlich in Erinnerung, deutlicher als die Ereignisse der letzten Tage.
    Dann war da ja auch noch Helen. Mich
beschlichen leichte Schuldgefühle, weil ich kaum an sie gedacht
hatte. Ich hatte mich nicht einmal gefragt, ob Chen-Kuen sie vielleicht
aus einem anderen Grund mitgenommen hatte als dem, ihrem Bruder eine
kleine Freude zu machen. Und was war mit St. Claire selbst? Hatten sie
ihn schon außer Landes gebracht oder befand er sich noch auf der
Insel? Mir wurde in diesem Zusammenhang erstmals bewußt,
daß es beinahe unmöglich sein würde, ihn
zurückzubekommen, wenn er bereits auf hoher See war. Der neue Tag
schien es schwer zu haben, sich durchzusetzen – es wurde nur
unwesentlich heller, an die Stelle der Dunkelheit trat eine graue
Regenwand. Als wir durch Bideford fuhren und auf die
Küstenstraße nach Hartland Point einbogen, war die Sicht so
schlecht, daß von der Insel Lundy nichts zu sehen war.
      Pendlebury hatte die ganze Zeit über nicht einen
Ton von sich gegeben. In dem grauen Licht wirkte sein Gesicht wie eine
Totenmaske; seine völlig verzweifelte Miene hätte unter
anderen Umständen vielleicht mein Mitleid erregt. Er hatte sich in
eine schlimme Sache hineinmanövriert, das Wasser stand ihm bis zum
Hals – aber es führte kein Weg an der Tatsache vorbei,
daß er bereit gewesen war, bei dem Versuch mitzuwirken, mich zu
ermorden. Fünf Uhr morgens an der Küste von Nord-Devon bei
strömendem Regen war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit
für Mitgefühl.
      Die Straße nach Connors Quay war schmal und
kurvenreich; die Hecken zu beiden Seiten waren so hoch, daß man
nicht hinübersehen konnte. Ich hielt an einer Ausweichstelle an,
stellte den Motor ab, öffnete das Fenster und atmete die kalte
Morgenluft tief ein.
      Pendlebury brach schließlich sein Schweigen: »Mr. Jackson, ist Ihnen der chinesische Terminus wu bekannt?«
      Ich nickte. »Grundlage der Zen-Philosophie. Bedeutet soviel wie ›neue Sicht der Dinge‹.«
      »Oder Erkenntnis, könnte man auch sagen. Was die Japaner mit satori bezeichnen.«
    »Und was willst du damit sagen?«
      »Ich hatte die letzten Stunden ausreichend
Gelegenheit, alles noch einmal zu überdenken, und kam dabei
beinahe zwangsläufig zu der Überzeugung, daß ich all
die Jahre irrte. Diese Menschen taten Böses, und ich war Teil
dieses Bösen.«
    »Auf diesen Trichter kommst du aber ziemlich spät.«
      »Vielleicht.« Er versuchte ein
Lächeln. »Aber nicht zu spät, um Ihnen meine Hilfe
anbieten zu können.«
    »Und das soll ich glauben?«
      »Ich hoffe es, obwohl ich für jede andere
Reaktion Ihrerseits vollstes Verständnis hätte.«
      Der Klang seiner Stimme fiel mir auf. Ernst, feierlich
und ganz ruhig, völlig anders als die des Schauspielers, die ich
zum Schluß der Gebetsstunde gehört hatte, als er zu seiner
kleinen Gemeinde sprach. Was aber wiederum nicht bedeuten

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