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Tödliche Küsse

Tödliche Küsse

Titel: Tödliche Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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zum Schutz. Geht mit schnellen Schritten weg. Nicht in Richtung U-Bahn. Schließlich ist er voller Blut. Selbst hier würde das den Menschen auffallen.
    Eve klapperte zwei Blocks in jeder Richtung ab und befragte unterwegs jeden, den sie auf der Straße herumlungern sah. Die meisten antworteten mit gleichgültigem Schulterzucken oder feindseligen Blicken. Cops erfreuten sich im West End keiner allzu großen Popularität.
    Stirnrunzelnd blickte sie einem Straßenhändler nach, der auf seinen Motorskates eilig um die Ecke bog und dessen Sortiment ganz sicher nicht nur aus billigen Plastikperlen und künstlichen Federn für das Haar bestand.
    »Sie war’n schon mal hier in der Gegend.«
    Eve drehe den Kopf. Die Frau, die sie angesprochen hatte, war so weiß, dass man beinahe durch sie hindurch zu blicken schien. Ihr Gesicht wirkte wie gebleichtes Wachs, ihre Haare waren so kurz geschnitten, dass darunter die kalkweiße Kopfhaut deutlich erkennbar war, und ihre Augen waren bis hin zu den stecknadelkopfkleinen Pupillen völlig farblos.
    Der typische funky junkie, dachte Eve. Sicher warf das Mädchen regelmäßig die weißen Tabletten ein, die Pigmente bleichten und das Hirn vernebelten.
    »Ja, ich war schon mal hier.«
    »Cop.« Steifgliedrig wie ein lange nicht mehr gewarteter Droide kam die Kleine auf sie zu. Ein Zeichen dafür, dass sie lange nichts mehr eingeworfen hatte. »Hab’ gesehen, wie Sie vor ‘ner Weile mit Crack geredet harn, ‘n wirklich cooler Typ.«
    »Ja, ‘n wirklich cooler Typ. Warst du in der Nacht, als die Frau abgestochen wurde, auch hier auf der Straße?«
    »Elegante Lady, ‘ne reiche, elegante Lady Hab’s bei der Entgiftung im Fernsehen gesehn.«
    Eve unterdrückte einen Fluch und stutzte. »Wenn du bei der Entgiftung warst, wie hast du mich dann mit Crack reden sehen können?«
    »Ich ging erst an dem Tag rein. Oder vielleicht am nächsten. Zeit ist etwas Relatives, finden Sie nich’ auch?«
    »Vielleicht hast du ja dann auch die reiche, elegante Lady schon mal gesehen, bevor du sie auf dem Bildschirm entdeckt hast?«
    »Nee.« Der Albino lutschte nachdenklich an seinem Finger. »Hab’ ich ganz sicher nich’.«
    Eve blickte auf das Gebäude hinter ihr und überlegte, was man von dort aus sah. »Lebst du hier in diesem Haus?«
    »Aber sicher. Hab’ in einer der oberen Etagen ‘ne richtig hübsche Bude.«
    »Warst du an dem Abend zu Hause, als die Lady abgestochen wurde?«
    »Wahrscheinlich. Was soll man ohne Geld schon machen?« Sie lächelte, und ihrem mit winzigen, abgerundeten Zähnen bestückten Mund entströmte ein beißender Gestank. »Nich’ viel los auf der Straße, wenn man keine Kohle hat.«
    »Es hat geregnet«, erinnerte Eve sie.
    »Oh ja. Ich mag es, wenn es regnet.« Ihre Muskeln zuckten noch immer, doch ihr Blick wurde verträumt. »Dann gucke ich immer aus dem Fenster.«
    »Hast du dabei irgendjemanden auf der Straße gesehen?«
    »Es kommen immer mal irgendwelche Leute vorbei«, erklärte sie mit leisem Singsang. »Manchmal kann man die Musik aus den Kneipen hören. Aber nicht an dem Abend. Der Regen war zu laut. Die Leute sind gerannt, um möglichst schnell ins Trockene zu kommen. Als würden sie im Regen schmelzen oder so.«
    »Du hast also jemanden durch den Regen laufen sehen.«
    Die farblosen Augen wurden größer. »Vielleicht. Was wäre Ihnen meine Antwort denn so wert?«
    Eve schob eine Hand in ihre Tasche. Sie hatte genügend kleine Credits für einen schnellen, kleinen Schuss. Das Mädchen rollte mit den Augen und streckte gierig die Hand nach den Plastikmünzen aus.
    »Was hast du gesehen?«, fragte Eve und hielt die Chips außer Reichweite.
    »Ein Typ hat da drüben auf die Straße gepinkelt.« Sie zuckte mit den Schultern und starrte weiter auf Eves Hand. »Vielleicht hat er sich auch einen runtergeholt. Das konnte man nicht so genau erkennen.«
    »Hatte er irgendwas dabei? Hatte er irgendetwas in der Hand?«
    »Nur seinen Schwanz.« Vor lauter Lachen stiegen ihr Tränen in die Augen, und um ein Haar wäre sie vornüber gekippt. »Dann ging er weiter. In der Nacht war kaum jemand auf der Straße. Der Typ stieg in einen Wagen.«
    »Derselbe wie der, der vorher gepinkelt hat?«
    »Nee, ein anderer. Hatte den Wagen dort drüben stehen.« Sie winkte vage in eine Richtung. »Er war nicht aus der Gegend.«
    »Warum nicht?«
    »Der Wagen war frisch poliert. Hier in der Ecke sieht man sonst nie frisch polierte Autos. Wenn man überhaupt irgendwelche Autos sieht.

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