Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Myers, dachte sie, und lächelte erschöpft, als sie ins Schlafzimmer ging. Ein acht Pfund schweres Wunder mit roten Haaren. Nachdem sie gesehen hatte, wie dieses unglaublich schöne Leben auf die Welt gekommen war, fiel es ihr schwer zu glauben, daß draußen auf der anderen Seite der Welt ein Krieg wütete.
Unendlich dankbar darüber, daß ihre Talk-Show an diesem Morgen verschoben worden war, zog sie sich aus, schaltete den Fernseher ein und ließ den Krieg in ihr Wohnzimmer kommen.
Wie spät mochte es jetzt in Bagdad sein? fragte sie sich, doch ihr Verstand war einfach nicht mehr in der Lage, Rechenaufgaben durchzuführen. Erschöpft setzte sie sich in der Unterwäsche auf die Bettkante und versuchte, sich auf die Bilder und Berichte zu konzentrieren.
»Sei bloß vorsichtig!« murmelte sie.
Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie auf der Tagesdecke zusammensackte und augenblicklich in einen tiefen Schlaf fiel.
In der zweiten Nacht des Golfkrieges richtete sich Finn in einem saudiarabischen Militärstützpunkt ein. Es war schon spät, er war müde und hungrig und sehnte sich nach einem Bad. Er konnte das Getöse der Düsenflugzeuge hören, die vom Flughafen starteten und in den Irak flogen. Es war ihm klar, daß auch andere Nachrichtenteams Berichte senden würden, entsprechend miserabel war seine Laune.
Als Resultat der vom Pentagon verfügten Einschränkungen für die Presse mußte er warten, bis er an die Reihe kam
und an die Front reisen durfte – und auch dann konnte er sich nur dorthin begeben, wohin ihn die Militärs schickten. Seit dem Zweiten Weltkrieg war es das erste Mal, daß jegliche Berichterstattung zensiert wurde.
Und ›Zensur‹ war eines der wenigen Worte, die Finn wirklich verabscheute.
»Willst du die Zeit nicht nutzen, um dein hübsches Gesicht zu rasieren?«
»Vergiß es, Curt. Wir sind in zehn Sekunden auf Sendung.« Er horchte auf den Countdown im Kopfhörer. »In den Stunden vor Sonnenaufgang des zweiten Tages der Operation Wüstensturm …«, begann er.
Auf ihrer Couch in Chicago beugte sich Deanna nach vorne und studierte Finns Gesicht auf dem Bildschirm. Er sieht müde aus, dachte sie, schrecklich müde. Aber auch zäh und zu allem bereit. Und er lebt.
Sie prostete ihm mit ihrem Mineralwasser zu und verspeiste das Sandwich mit Erdnußbutter, das sie sich zum Abendessen gemacht hatte.
Was mochte er wohl denken und fühlen, während er von Einsätzen und Statistiken sprach oder die vorher festgelegten Fragen des Moderators beantwortete? Hinter ihm spannte sich der arabische Himmel, und gelegentlich mußte er seine Stimme anheben, um das laute Getöse der Düsen zu übertönen.
»Wir sind froh, daß Sie sicher aus Bagdad herausgekommen sind, Finn. Und wir stellen uns auf weitere Berichte ein.«
»Danke, Martin. Sie hörten Finn Riley für die CBC aus Saudi-Arabien.«
»Schön, dich zu sehen, Finn«, murmelte Deanna, seufzte und stand auf, um ihr Geschirr in die Küche zu bringen. Erst als sie am Anrufbeantworter vorbeilief, bemerkte sie das schnelle Blinken, das anzeigte, daß Nachrichten für sie gespeichert waren.
»Verdammt, wie habe ich das nur vergessen können?«
Sie stellte das Geschirr ab und spulte zurück. Selige sechs Stunden hatte sie geschlafen, dann war sie wieder nach draußen
gerast. Ein kurzer Besuch im Krankenhaus, ein paar Stunden im Büro, wo Chaos herrschte. Dieses Chaos und die Gespräche über den Krieg hatten sie veranlaßt, mit einer dicken Mappe mit Zeitungsausschnitten und einer Tasche mit Post wieder das Weite zu suchen. Den Rest des Abends hatte sie gearbeitet und das Telefon ignoriert, ohne die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abzuhören.
Ein Baby und ein Krieg lenkten wirklich von vielem ab, dachte sie, als sie den Knopf zum Abspielen drückte.
Ihre Mutter hatte angerufen, ferner Simon. Pflichtbewußt schrieb sie sich alles auf. Zweimal hatte jemand wieder aufgelegt, beide Male mit einer langen Pause vor dem Klicken im Hörer.
»Kansas?« Deanna ließ den Stift fallen, als Finns Stimme das Zimmer erfüllte. »Wo zum Teufel steckst du? Es muß jetzt bei dir fünf Uhr morgens sein. Diese Leitung steht mir nur eine Minute zur Verfügung. Wir sind aus Bagdad herausgekommen, und die Stadt sieht schlimm aus. Ich weiß nicht, wann ich wieder durchkomme; du mußt mich also in den Nachrichten erwischen. Ich denke an dich, Deanna. Herrgott, es ist schwer, an irgend etwas anderes zu denken. Kauf dir ein paar Flanellhemden, ja? Und
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