Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Potential.« Er nahm jetzt seine eigene Angelrute, wählte einen Köder aus, brachte ihn geräuschlos und fast ohne eine Welle zu erzeugen auf den See. Deanna machte das Angeln nicht nur Spaß, sie spürte jetzt auch den heißen Drang, sich mit Finn messen zu wollen.
»Ich will es noch einmal tun.«
»Du sollst es auch noch einmal tun. Aber zunächst mußt du die Schnur wieder einholen.«
Sie wölbte die Brauen. »Das war mir klar.«
»Ganz langsam«, sagte er mit einem leichten Lächeln, als er es ihr zeigte. »Und ganz ruhig. Geduld ist dabei genauso eine Kunst wie das Werfen selbst.«
»Dann werden wir also nichts anderes tun, als hier zu sitzen, die Schnur auszuwerfen und wieder einzuholen?«
»So ist es. Und ich werde hier sitzen und dir zuschauen, was eine sehr schöne Art ist, den Morgen zu verbringen. Wenn du ein Mann wärst, würden wir die Sache ein wenig
beleben, indem wir uns Lügengeschichten erzählen – über Fische und über Frauen.«
Als sie den Köder wieder auswarf, hatte sie die Stirn gerunzelt vor Konzentration. Ihr Köder landete nicht geräuschlos im Wasser, aber sie feierte den Plumps. »In dieser Reihenfolge, vermute ich.«
»Im allgemeinen läßt sich das nicht so genau trennen. Barlow James und ich waren einmal sechs Stunden hier draußen. Ich glaube nicht, daß wir hinsichtlich einer einzigen Sache bei der Wahrheit geblieben sind.«
»Ich kann auch lügen.«
»Nein, nicht mit diesen Augen. Ich mache es leicht für dich. Erzähl mir etwas über deine Familie.«
»Ich habe drei Brüder.« Sie starrte auf den Köder, hoffte, daß irgend etwas passierte. »Zwei ältere und einen jüngeren. Die älteren beiden sind verheiratet, der jüngste besucht noch das College. Soll ich das jetzt bewegen oder sonst irgend etwas tun?«
»Nein, entspann dich einfach. Leben sie alle noch in Kansas?«
»Ja. Mein Vater handelt mit Eisenwaren, mein ältester Bruder ist da mit eingestiegen. Meine Mutter macht die Buchführung. Was tust du da eigentlich?«
»Ich hole meinen ersten Fisch aus dem Wasser«, meinte er ruhig, während er die Schnur einholte. »Da hat einer angebissen.«
»Du hast tatsächlich einen gefangen!« Sie beugte sich im Boot nach vorne, zog ruckartig an ihrer Schnur. »So schnell?«
»Bist du in der Stadt oder am Stadtrand aufgewachsen?«
»Am Stadtrand«, antwortete sie ungeduldig. »Wie kommt es, daß du schon einen hast? Oh, schau nur!« Fasziniert starrte sie zu ihm hinüber, als er den Fisch aus dem See zog. Er wand sich hin und her, die Sonne, die langsam an Kraft gewann, ließ seine Flossen aufblitzen. Gebannt verfolgte Deanna, wie Finn den Fisch einfing und auf den Boden des Bootes platschen ließ. »Du mußt einen besseren Köder benutzt haben als ich«, meinte sie, als er den Fisch abnahm und auf das Eis legte.
»Wollen wir tauschen?«
Auf ihrer Stirn bildete sich eine störrische Falte. »Nein.« Aufmerksam beobachtete sie, wie er wieder auswarf. Entschlossen holte sie ihre Schnur ein, stellte sich auf die andere Seite des Bootes, und warf dort wieder aus, wobei ihr Enthusiasmus deutlich größer war als die Eleganz, die sie dabei an den Tag legte.
Als Finn zu ihr herübergrinste, rümpfte sie die Nase. »Was ist denn mit deiner Familie?«
»Da ist keine Familie, über die ich etwas erzählen könnte. Meine Eltern wurden geschieden, als ich fünfzehn war. Ich war das einzige Kind. Sie sind beide Rechtsanwälte.« Er machte seine Angel fest, damit er den Deckel der Thermoskanne abnehmen und ihnen beiden etwas Kaffee einschenken konnte. »Sie haben sich gegenseitig unter einem kultivierten Berg von Schriftstücken begraben und sind übereingekommen, alles halbe-halbe aufzuteilen, mich eingeschlossen.«
»Das tut mir leid.«
»Warum?« Die Frage klang nicht bitter, es war nur eine einfache Frage. »Die Familienbindungen der Rileys sind nicht besonders stark. Jeder lebt sein Leben und jedem ist das so am liebsten.«
»Ich möchte ja keine Kritik üben, aber das klingt fürchterlich gefühllos.«
»Es ist gefühllos.« Er nippte am Kaffee und war ganz in der stillen Freude über den kalten Morgen und die über das Wasser fallende Sonne versunken. »Aber es ist auch ganz praktisch. Außer dem Blut haben wir schließlich nichts gemeinsam. Warum sollte man also so tun, als wäre es anders?«
Sie wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Zwar war sie weit weg von ihrer Familie, aber die Verbindung zu ihr war immer da. »Sie müssen doch stolz auf dich
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