Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Atem brannte in seiner Kehle, das Blut hämmerte in seinem Schädel, in seinen Lenden. Die letzte Woge von Empfindungen überschwemmte ihn, flutete durch seinen Körper wie Licht – grellweißes, blendendes Licht.
Vierundzwanzigstes Kapitel
M arshall Pikes Praxis wirkte wie ein elegantes Wohnzimmer, in dem keiner wohnte. Finn mußte an die Zimmer eines anspruchsvoll ausstaffierten Modellhauses denken, dessen potentielle Käufer sich niemals auf dem Brokatsofa lümmeln oder auf dem Aubussonteppich balgen würden. Auf dem Chippendale-Couchtisch würde nie ein unschöner Kranz von einem achtlos dort abgestellten Glas zurückbleiben. Kein Kind würde jemals hinter den unpersönlichen Seidenvorhängen Verstecken spielen oder sich zum Lesen in einem der Sessel mit den tiefen Polstern zusammenkuscheln.
Sogar Marshalls Schreibtisch machte eher den Eindruck eines Requisits als den eines brauchbaren Einrichtungsgegenstandes. Die Eiche war auf Hochglanz poliert, die Messingbeschläge glänzten. Die burgunderrote Schreibtischgarnitur aus Leder fügte sich nahtlos in die burgunderrote und farngrüne Gesamtgestaltung des Zimmers ein. Der Ficus am Fenster war nicht aus Plastik, doch wirkte der Zierbaum so vollkommen und die Blätter dermaßen staubfrei, daß er es genausogut hätte sein können.
Finn war immer wohlhabend gewesen und mit dem vertraut, was man sich an entsprechender materieller Ausstattung einer Wohnung kaufen konnte, doch Marshall Pikes makellose Praxis mit dem leisen Summen der Klimaanlage, die diskret alle Unreinheiten wegsaugte, empfand er als seelenlos.
»Natürlich würde ich gerne mit der Polizei kooperieren«, meinte Marshall. Artig zog er die Ärmel seines Jacketts über die mit einem Monogramm versehenen Manschetten an seinem frischen weißen Hemd. »Wie ich Ihnen jedoch bereits erklärte,
hat die Polizei es nicht für nötig befunden, mich zu befragen. Warum auch? Der Presse habe ich daher ebenfalls nichts weiter zu sagen.«
»Wie ich Ihnen erklärte, bin ich nicht als Vertreter der Presse gekommen, und Sie sind nicht dazu verpflichtet, sich mit mir zu unterhalten, Pike. Wenn Sie das aber nicht tun …« Finn breitete die Hände aus. Jenner würde ziemlich sauer darüber sein, daß er dieses Interview ohne Rücksprache mit der Polizei durchführte, dachte er. Doch speziell diese Kontaktaufnahme empfand er als eine ganz persönliche Angelegenheit. »Einige meiner Kollegen könnten mir sehr dankbar dafür sein, wenn ich ihnen ein bestimmtes Ereignis ins Gedächtnis zurückrufe, das sich zwischen Ihnen und Angela abgespielt hat.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine so banale Begebenheit irgend jemanden interessieren könnte.«
»Ja, es ist auch wirklich erstaunlich, was letztendlich die Aufmerksamkeit des Fernsehzuschauers auf sich zieht, nicht wahr? Und was die Polizei auf den Plan ruft, wenn es aus einem bestimmten Blickwinkel heraus dargestellt wird.«
Der Mann übertreibt natürlich, beruhigte sich Marshall. Außer einer kurzen Fehlentscheidung gab es nichts, absolut nichts, das ihn mit Angela in Verbindung bringen konnte. Und dennoch … ein Wort an die falsche Person, und er würde auf eine Weise ins Licht der Öffentlichkeit rücken, die seiner Praxis doch ziemlich abträglich wäre.
Marshall kam zu dem Schluß, daß im Vergleich mit dieser Perspektive ein paar Fragen und Antworten kaum ins Gewicht fielen. Außerdem war er ja auf dem Gebiet der Kommunikation Experte. Wenn er mit einem sich übermäßig in den Vordergrund spielenden Journalisten nicht fertigwerden konnte, hatte er die ganzen akademischen Abschlüsse, die so auffällig an der Wand hinter ihm plaziert waren, wirklich nicht verdient.
Darüber hinaus würde es ihm besonderes Vergnügen bereiten, den Mann auszutricksen, den Deanna ihm vorgezogen hatte.
»Mein letzter Termin für heute nachmittag wurde abgesagt.
« Er schüttelte den Kopf, als ob er das unglückliche Paar, das jetzt von seinen Fähigkeiten gar nicht profitieren konnte, bemitleidete. »Bis sieben habe ich keine anderen Verpflichtungen mehr, von daher könnte ich tatsächlich ein paar Augenblicke für Sie erübrigen.«
»Mehr brauche ich auch nicht. Wann haben Sie von Angelas Tod erfahren?«
»Am Morgen nach dem Mord in den Frühnachrichten. Ich war völlig schockiert. So wie ich das verstand, hatte sich neben ihr auch Deanna in diesem Studio aufgehalten, und wie Sie wissen, hatten Deanna und ich ja mal eine Beziehung. Daher machte ich mir natürlich
Weitere Kostenlose Bücher