Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Gesicht zu sehen. Es dauerte eine Weile, bis sie es einordnen konnte. Als der Mann sich jedoch seine Brille mit dem Drahtgestell auf die Stupsnase schob, erinnerte sie sich.
»Hallo, Jeff! Was ist denn das?«
»Für dich.« Er stellte den Blumentopf auf ihren Schreibtisch und steckte dann sofort die Hände in die Taschen. Als Assistent des Cutters fühlte sich Jeff Hyatt bei seinen Geräten wohler als unter Menschen. Er schenkte Deanna ein flüchtiges Lächeln, dann starrte er auf die Blumen. »Schön. Ich bin zufällig dem Ausfahrer begegnet, und da ich auf meinem Weg hierher war …«
»Danke, Jeff.«
»Keine Ursache.«
Als Deanna nach der Karte griff, die zwischen den Blüten steckte, hatte sie Jeff bereits vergessen.
Was hältst du von Hawaii?
Lächelnd streckte sie eine Hand aus und streichelte eine Blüte. Ihr fiel noch eine weitere Eintragung für die Spalte ›ablehnen‹ ein: Marshall.
»Miss Reynolds möchte Sie sprechen, Miss Perkins.«
»Sagen Sie ihr, sie solle sich noch etwas gedulden.« Mit einer glimmenden Zigarette zwischen den Fingern ging Angela mit finsterer Miene Beekers Bericht über Marshall Pike durch. Mit Sicherheit war das eine interessante Lektüre, die ihre volle Aufmerksamkeit erforderte. Seine Referenzen hatte er sich wohlverdient – den Doktortitel aus Georgetown, das Jahr Auslandsstudium. Und auch finanziell ging es dem Psychologen gut, der Angehörigen der oberen Zehntausend und Politikern in ihren festgefahrenen Ehen sowie ihren gestörten
Familien seine Beratung anbot. Als Ausgleich zu dieser lukrativen Privatpraxis schenkte er drei Nachmittage in der Woche der staatlichen Gesundheitsfürsorge.
Alles in allem entstand das Bild einer ehrlichen und tüchtigen Person, die nach einem erfolgreichen Studium hart gearbeitet und sich dem Familienleben gewidmet hatte.
Angela wußte genau, was sie von diesen Persönlichkeitsprofilen zu halten hatte und kannte auch die Illusionen, die sie nährten.
Seine Ehe war gescheitert. Eine in aller Stille vollzogene und zivilisiert ablaufende Scheidung hatte in der gesellschaftlichen Welt Chicagos kaum Aufsehen erregt und gewiß auch seiner Praxis nicht geschadet. Und dennoch war diese Scheidung ein interessanter Punkt, denn wie Beeker herausgefunden hatte, waren die Summen, die Marshall als Abfindung und Alimente an seine ehemalige Frau zahlte, ungewöhnlich hoch. Einer kurzen, kinderlosen Ehe entsprachen sie jedenfalls nicht.
Er hatte das nicht angefochten, grübelte Angela. Beim Weiterlesen konnte sie ein Lächeln nicht verbergen. Vielleicht hatte er das nicht gewagt. Wenn ein fünfunddreißigjähriger Mann dabei erwischt wurde, wie er sich um zwei Uhr morgens mit der sehr schönen, sehr jungen und nackten Tochter seiner Sekretärin amüsierte, hatte er nicht mehr viel Spielraum für Verhandlungen. Wie willig die Minderjährige auch immer gewesen sein mochte, sie blieb eine Minderjährige. Und wer seine Frau betrog – und insbesondere, wenn er dies mit einer Sechzehnjährigen tat –, zahlte dafür einen saftigen Preis.
Bei der weiteren Durchsicht der Akte ihres Detektivs stellte Angela fest, daß Marshall es sehr intelligent angestellt hatte, die Sache zu vertuschen. Die Sekretärin hatte einen Haufen Geld und ein hervorragendes Zeugnis entgegengenommen und war mit ihrer Familie nach San Antonio gezogen. Die Frau hatte noch einiges mehr an Geld genommen, aber immerhin hatte das zur Folge, daß kaum über den guten Doktor getuschelt wurde, und wenn das doch der Fall war – und für diese Kühnheit bewunderte Angela den Psychologen –, wurden
entsprechende Gerüchte immer mit der Sekretärin in Verbindung gebracht, nicht aber mit ihrer attraktiven Tochter …
Und so führte der elegante Dr. Pike seine Praxis als einer der gefragtesten heiratsfähigen Junggesellen Chicagos weiter fort.
Der berühmte Familienberater mit einer Schwäche für Teenager. Das wäre ein interessantes Thema für eine Talk-Show, stellte sie fest und mußte laut auflachen. Nein, nein, das würden sie für sich behalten. Manche Informationen waren viel mehr wert als gute Einschaltquoten. Angela schloß die Akte und ließ sie in einer Schublade verschwinden. Sie fragte sich, wieviel Deanna wohl wußte.
»Schicken Sie sie herein, Cassie.«
Als Deanna ihr Büro betrat, wurde sie von Angela mit einem strahlenden Lächeln empfangen. »Tut mir leid, daß ich dich warten ließ, aber ich mußte eben noch kurz etwas fertigmachen.«
»Ich weiß ja, daß du
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