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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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das Blut zu rostroten Flecken trocknete und ihn mit Pierres in Todesangst verzerrtem Gesicht angrinste. Seine eigene Haut schien mit einem Mal zu eng geworden und ihm die Luft abzuschnüren. Er geriet in Panik und hatte plötzlich sogar Angst vor dem nächsten Atemzug. Seine Brust brannte höllisch und würde zerspringen, sobald er erneut Luft holte.
    Er blickte an sich hinab und betrachtete seinen blutverschmierten, nackten Oberkörper. Das Blut an seinen Händen, die er weit von sich streckte und musterte, als gehörten sie nicht zu ihm. Er schmeckte das Blut in seinem Mund und fühlte es zwischen den Beinen hinab laufen. Überall Blut!
    Mit wachsendem Entsetzen hatte Beate die Veränderungen in Alains Miene verfolgt, den jähen Verfall. Sie hatte ihn von sich gestoßen. Und sie hatte ihm die Schuld an Pierres Tod gegeben, obwohl sie es doch besser wusste. Wie konnte sie bloß etwas derart Unbedachtes von sich geben?
    Am ganzen Körper schlotternd stolperte Alain zu Pierres Schreibtisch, auf dem das Telefon lag , und wählte ohne Zögern den Notruf.
    „Alain Germeaux, 25 Rue Jean Caroupaye “, meldete er sich mit unnatürlich ruhiger Stimme. „Ich habe meinen Bruder erschossen.“
    Der Hörer fiel ihm aus der Hand. Als hätte er all seine Kraft für diesen Anruf verbraucht, brach er jetzt zusammen. Tränen liefen ihm über die eingefallenen Wangen.
    „Das habe ich nicht gewollt. Es tut mir leid, Beate. Hilf mir, bitte, hilf mir.“ Mit einer erschütternden Geste streckte er ihr seine Hände entgegen. „Ich …“
    Seine Worte erstickten, als sie hektisch den Kopf schüttelte. Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen. Seine Lippen bewegten sich tonlos, dann wandte er sich ab. Es war die unmenschlichste Form von Verzweiflung, die Beate je gesehen hatte.
    Alain sank in der Ecke zu Boden, das Gesicht auf die Knie gelegt, die Arme schützend um den Kopf erhoben.
    S ie wollte ihm nicht helfen. Pierre würde Recht behalten.
    Er hatte verloren.
     
    W enige Minuten nach Alains Anruf in der Notrufzentrale bog ein Streifenwagen im Affenzahn um die Ecke. Das Kreischen der Reifen zerriss die nächtliche Stille des exklusiven Wohnviertels. Mit einer Vollbremsung stoppte der Streifenpolizist Simon Bernard den Wagen vor dem Haus der Familie Germeaux. Im Wageninneren verbreitete sich der beißende Gestank von verbranntem Gummi.
    Die Wangen des schlaksigen jungen Mannes glühten vor Erregung. Mit glänzenden Augen tastete seine Hand über die Dienstpistole im Schulterhalfter. Ganz offensichtlich war für ihn ein Einsatz wie dieser eine erfrischende Abwechslung von der Alltagsroutine, die im Wesentlichen aus dem Einsammeln von Betrunkenen und dem Ausstellen von Strafzetteln bestand.
    H eute dagegen: Mord! Ein richtiger, waschechter Mord!
    In freudiger Erwartung rieb er sich die Hände, während er gleichzeitig neidvoll die mondäne Villa der Industriellenfamilie Germeaux taxierte.
    Nicht das erste Mal an diesem Tag schüttelte der um viele Jahre ältere Vic Meunier den Kopf. Obwohl sich seine Augenbrauen missbilligend in die Höhe schoben, verkniff er sich auch dieses Mal einen Kommentar zu dem überschießenden Eifer des Jungen. Es wäre vergebene Liebesmüh, das hatte er längst eingesehen. Simon Bernard würde sich selbst ohne ständige Belehrungen seine Hörner abstoßen. Irgendwann. Zu gut konnte er sich an seine eigenen ersten Wochen auf der Straße erinnern, an seinen Enthusiasmus und den unbedingten Willen, die Welt zu verändern.
    Betont langsam schob sich der Grauhaarige aus dem Fahrzeug und zwang damit seinen ungeduldigen Kollegen, das Tempo zu drosseln.
    Den beiden Polizisten bot sich ein Bild des Grauens, als sie das Arbeitszimmer betraten. Ein junger Mann mit zerzausten Haaren und nacktem Oberkörper hockte zusammengekauert auf dem Boden, den Kopf zwischen den Knien. Er zitterte wie Espenlaub und hatte die Arme schützend um sich geschlungen. Wie in Trance gefangen schwankte er hin und her. Der Schweiß sickerte ihm in kleinen Perlen aus sämtlichen Poren.
    „Germeaux? Alain Germeaux?“
    Langsam hob er den Kopf. Sein Gesicht war fahl und über und über mit Blut verschmiert. Doch das Schlimmste waren seine Augen, die leer, wie ausgebrannt, und starr vor Schock geradeaus gerichtet waren und nichts zu sehen schienen.
    Sein Zustand verwirrte Vic Meunier. Germeaux war deutlich benommen und jede Faser seines Körpers schien zu schmerzen. Aber er konnte, abgesehen von einer Platzwunde an der Stirn und einer

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