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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Atelierfenster auf. Die Nachtluft war feucht und kühl, die Türme des Doms ragten hinter einem Flickenteppich von Dächern beständig und still in die Nacht. Der Himmel über Lübeck war gar nicht schwarz, sondern erschien Pia farbig-grau, so wie die Farbe, die das Wasser annahm, in dem sie beim Malen ihre Pinsel auswusch. Sie umfasste fröstelnd ihre Oberarme. Es wäre schön, wenn Hinnerk jetzt da wäre. Was er wohl gerade machte? Vielleicht arbeitet er noch, war mitten in einem Rettungseinsatz? Oder schlief er längst in seinem Bett? Oder in einem anderen?

5. Kapitel
    P ia erwartete nicht, dass eine Reaktion erfolgen würde, als sie mehrmals kräftig auf den Klingelknopf der Dreyling’sehen Wohnung drückte. Es war noch früh am Vormittag, das gepflegte Mehrfamilienhaus direkt am Lübecker Stadtpark schien leer und verlassen zu sein. Als nach einer kurzen Wartezeit der Türsummer ertönte, stemmte sie sich leicht perplex gegen die Haustür und stieß sie auf. Zumindest hätte sie in so einem Haus eine Befragung zu ihrer Person über die Gegensprechanlage erwartet. Sie trat in das schummrige Treppenhaus, die Haustür schnappte hinter ihr ins Schloss. Einen Moment lang war es still. Pia roch künstliches Zitronenaroma, das wohl von einem erst vor Kurzem eingesetzten Putzmittel herrührte. Sie fragte sich, in welches Stockwerk sie steigen sollte, als eine Frauenstimme zu ihr herunterrief: »Annegret?«
    Was sollte sie auf diese bestimmte, aber auch hoffnungsvolle Frage antworten, ohne gleich mit dem Begriff Kriminalpolizei ins Haus zu fallen? Sie hörte eilige Schritte, und eine Frau tauchte auf dem oberen Treppenabsatz auf. Sie war schätzungsweise Ende fünfzig, trug ein gelbes Kostüm, und ihr Haar war in jenem künstlichen Blondton gefärbt, für den ein renommierter Friseur einem glatt mehrere Hunderter abnahm.
    »Ach, ich dachte, es wäre meine Schwiegertochter«, sagte die Frau und betrachtete Pia irritiert.
    Pia stellte sich vor. Um etwaige Zweifel im Vorfeld auszuräumen, zog sie ihre Dienstmarke hervor. »Ich wollte zu den Dreylings. Sind Sie mit Annegret Dreyling verwandt?«, erkundigte sie sich.
    »Ich bin Regina von Saupe-Dreyling, doch Dreyling reicht aus. Mein Sohn Ole ist mit Annegret verheiratet, seit ein paar Wochen erst. Aber es ist niemand da. Sie sind beide verreist. Ich sehe nur in ihrer Wohnung nach dem Rechten.«
    »Können wir reingehen? Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Oh. Natürlich …« Sie war etwas blasser geworden, zeigte ansonsten aber keinerlei Anzeichen von Angst oder Schwäche.
    Die Wohnung, in die Regina Dreyling Pia führte, war hell und geschmackvoll eingerichtet, doch es fehlte etwas. Als Ha im Wohnzimmer Platz genommen hatte, wurde ihr bewusst, dass die gerahmten Kunstdrucke an den Wänden dieselben Motive zeigten, wie ihr Zahnarzt sie in seiner Praxis für Flur und Wartezimmer ausgesucht hatte. Pia konnte nichts entdecken, was auf die Persönlichkeiten der hier wohnenden Menschen schließen ließ. Frau Dreyling forderte Pia mit einer beiläufigen Geste auf, Platz zu nehmen, und fegte, bevor sie sich selbst setzte, ein paar unsichtbare Krümel von der Sitzfläche des Sessels. Sie schlug die Beine übereinander und starrte die Kommissarin mit einer Mischung aus Konzentration und Ungeduld an.
    »Frau Dreyling, wir sind von den italienischen Behörden über einen Vorfall im Hotel Guarini Palace in Perugia informiert worden. Es geht um eine Frau, die dort unter dem Namen Annegret Dreyling gewohnt hat. Sie hat als Heimatadresse diese Adresse hier angegeben …« Pia zögerte einen Moment, um ein bestätigendes Nicken oder auch das Gegenteil davon abzuwarten. Als nichts geschah, fuhr sie fort: »Die Frau ist tot in ihrem Hotelzimmer aufgefunden worden. Sie ist höchstwahrscheinlich ermordet worden.«
    »Tot … Annegret ist tot?«, fragte Regina Dreyling.
    »Die Tote ist noch nicht eindeutig identifiziert worden. Bevor das nicht geschehen ist, steht noch nichts fest. Ist ihr Sohn ebenfalls in Italien?«
    »Ole? Nein! Er ist in São Paulo – geschäftlich.«
    Pia runzelte die Stirn. »Wann kann er denn wieder hier sein? In Anbetracht der Tatsache, dass seine Frau wahrscheinlich ermordet wurde …«
    »Ein Mord! Ich kann das gar nicht glauben. Und meinen Sohn kurzfristig herzubestellen wird schwierig werden. Oles Anwesenheit in São Paulo ist gerade jetzt ungeheuer wichtig, aber in diesem Fall … Was für ein Chaos! Ich hatte ihn gewarnt, dass die Eheschließung ihm nichts als

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