Tödliche Nähe
hinweisen, auch wenn sie das vermutlich ohnehin überprüfen. Aber sie sollen es an die Ärzte weitergeben, damit ein Bluttest gemacht wird.«
Remy nickte.
Doch dieser benommene Gesichtsausdruck und der verlorene Eindruck, den er machte, blieben. Verdammt, Ezra hatte nicht die Zeit, ihn aus seinem Schockzustand zu holen. Nein, Remy selbst durfte sich nicht so gehen lassen und hier hilflos und verwirrt herumsitzen. Es stand viel zu viel auf dem Spiel, es gab viel zu viele Menschen, die zu potenziellen Opfern werden konnten. Und gerade Remy musste klar sein, wer wohl am ehesten bedroht sein würde.
»Willst du die ganze Nacht über hier sitzen bleiben und dreinschauen, als hätte er deinen Hund überfahren, oder reißt du dich jetzt endlich zusammen und unternimmst etwas?«, herrschte Ezra ihn an und wählte in der Hoffnung, etwas bei ihm bewirken zu können, absichtlich einen harten, rücksichtslosen Tonfall.
Remy erstarrte.
Dann hob er langsam den Kopf, seine blauen Augen waren geschlossen. »Du musst mir schon ein wenig Zeit lassen, den Schock zu verdauen, dass mein Cousin – mein eigen Fleisch und Blut, mein Freund – ein Mörder ist.«
»Nein, ich muss dir keine Zeit lassen, Herr Anwalt. Denn Zeit ist genau das, was wir nicht haben. Ich kann mir nämlich kaum vorstellen, dass er seine Frau in einen Ofen steckt und dann einfach verschwindet. Er wollte zurückkommen und sie töten, aber er hatte vorher noch etwas anderes vor, verdammt noch mal. Er muss es also auf jemanden abgesehen haben. Er ist sauer. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du am ehesten einschätzen kannst, wer womöglich sein Opfer sein könnte. Wie sieht’s mit Nia aus? Schließlich ist sie zurückgekommen und hat ihm alles verdorben. Oder Reilly? Lena?«
»Was …?! Warum sollte er es auf Lena abgesehen haben?«
Ezra wirbelte herum und fuhr sich durchs Haar. »Großer Gott! Du denkst wirklich nicht wie ein Anwalt, oder? Denkst du überhaupt ?« Er drehte sich wieder um. »Sie hat eines der Opfer gehört, Jennings. Die Schreie. Höchstwahrscheinlich sogar Nia Hollisters Cousine.«
Remy erbleichte. Dann schloss er die Augen, nickte, holte tief Luft und schaute erst zu Roz, dann wieder zu Ezra. »Ich kann das nicht alles verarbeiten – das geht alles zu schnell. Gib mir bitte ein paar Minuten. Lass mich Roz ins Krankenhaus bringen.«
Doch noch während er das sagte, hörten sie bereits Sirenen. Remy stand auf, den schlaffen, reglosen Körper seiner Schwägerin in den Armen, und blickte zum Fenster. »Ich muss Hope anrufen und ihr erzählen, was los ist.«
»Das meiste weiß sie bereits«, entgegnete Ezra leise. »Sie war heute Vormittag mit Lena im Inn und ist mit ihr zusammen auch von dort weggefahren. Aktuell hält sie sich bei uns auf, und dort wird sie auch bis auf Weiteres bleiben.«
Remys Kiefermuskel zuckte. »Dann weiß sie also auch über Carter Bescheid.«
Ezra neigte den Kopf.
»Also gut. Ich muss trotzdem mit ihr reden. Ich brauche nur ein paar Minuten. Dann kann ich wieder nachdenken.«
Er stapfte los, blieb jedoch kurz vor der Tür stehen. »Eins ist klar: Auf Reilly hat er es nicht abgesehen. Er wäre ein viel zu ebenbürtiger Gegner. Schon als Kind hat sich Carter nie einem fairen Kampf stellen können, es selbst aber immer als Taktik oder Ähnliches hingestellt. Er wird also auf jemanden losgehen, den er problemlos ausschalten kann. Gegen Reilly hätte er jedoch keine Chance, und das weiß er auch.«
Remy stockte. »Genaugenommen würde er am ehesten die schwächste Person ins Visier nehmen, die verletzlichste von allen. Und wenn sich dann alle auf sie konzentrierten, hätte er seinen Spaß mit den anderen. Psychospielchen fand er immer schon toll.«
»Also Hope.«
Remy verzog den Mund und schüttelte den Kopf. »Hope mag vielleicht still sein, aber sie ist keinesfalls schwach, Mann. Außerdem hat er keinen Grund, ihr etwas anzutun. Er würde sich auf jemanden festlegen, der ihm Schwierigkeiten bereitet hat. Hope ist es nicht, die ich meinte.«
Ezra krampfte sich der Magen zusammen.
22
Dieses Mal bekam Ezra den Haftbefehl ohne Probleme.
Gleichzeitig durchlebte er die Hölle auf Erden, denn er wollte mit jeder Faser seines Körpers zu Lena eilen. Stattdessen musste er jedoch in der Werkstatt bleiben und das abarbeiten, was schon längst erledigt gewesen wäre, hätte Beulah ihm nur vertraut.
Statt bei seiner Frau sein zu können, musste er nun also Spuren sichern. Der einzige Trost an der Sache war die
Weitere Kostenlose Bücher