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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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schließen, so wie jede Einzelheit seines Verhaltens es ihr heute Abend angekündigt hatte.
    »Hast du jetzt Zeit, mich zu küssen, altes Mädchen?«, sagte er.
    Marjorie sah sich im Wohnzimmer um wie ein gehetztes wildes Tier. Es gab keine Zuflucht, keinen Beistand. Weder in der verblichenen Tapete noch in dem abgetretenen Teppich, noch in den verschlissenen Sesseln, noch in dem billigen Lautsprecher. Im Korb neben ihrem Sessel lag der übliche Haufen Kleider, die zu flicken waren. Es wäre das Paradies, wenn sie in diesem Augenblick still dasitzen und Kleider flicken könnte. Aber darauf bestand keine Aussicht. Ted ragte bedrohlich vor ihr auf. Sie fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen, so als wäre er sechs Meter groß und zwei Meter breit und das ganze Wohnzimmer angefüllt von Teds Körper.
    Seine Hände streichelten ihren Hals.
    »Nein!«, rief sie. »Nein!«
    Kraftlos schlug sie mit den Armen um sich, wie blind. Ein schwacher Faustschlag traf Ted an Nase und Mund.
    »Verdammt noch mal«, sagte er. »Was zum Teufel soll das?«
    Er trat einen Schritt zurück. Seine früheren Vermutungen, dass sie durch eine Phase der Kaltherzigkeit gegen ihn ging, bestätigten sich; aber mit einem so feindseligen Empfang hatte er nicht gerechnet. Er war wütend, und der Anblick von Marjories Gesicht, das bleich war und verzerrt von Abscheu, machte ihn wütender als je zuvor.
    »Ich ... ich kann nicht«, stieß Marjorie hervor. »Ich will nicht.«
    »Das vergiss mal besser ganz schnell wieder«, sagte Ted. »Du hattest Zeit genug.«
    Marjorie schluckte. Dies war der Augenblick, hundertfach schon durchgespielt, in dem sie Ted sagen musste, dass sie mit ihm auf diese Weise nichts mehr zu tun haben wollte, in dem sie ihn dazu überreden musste, sie für den Rest ihres Lebens in Ruhe zu lassen. Im Gegenzug würde sie ihm alle Freiheiten zugestehen, die er sich wünschte – ein-, zweimal in dieser Woche hatte sie sich in hoffnungsvollen Momenten vorgestellt, dass er auf den Vorschlag einging, widerwillig vielleicht. Aber es war noch unendlich viel schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatte. Verzweifelt stürzte sie sich in Worte, während sie mit ausgestreckten Armen versuchte, Teds übermächtige Masse auf Abstand zu halten.
    »Nein«, sagte sie. »Ich kann nicht mehr mit dir schlafen, Ted. Ich ... ich habe mit all dem abgeschlossen. Bitte, bedräng mich nicht mehr. Du kannst tun, was du willst, Ted. Du kannst dir nehmen, wen du willst. Es macht mir nichts aus. Aber lass mich in Frieden. Das ... das ist es, was ich sagen wollte, Ted.«
    Sie war blind, obwohl sie die Augen offen hatte, so als umgäbe sie ein dichter Nebel. Sie stand da und sah nichts indem kurzen Schweigen, das folgte. Teds Stimme schien von sehr weit weg zu kommen, als er schließlich sprach.
    »Verstehe«, sagte er, und es lag ein gereizter Ton in seiner Stimme. »So stellst du dir das also vor, wie?«
    »Ja.«
    Sie hatte ihre Sehkraft wiedergewonnen. Jetzt, da sie es alles ausgesprochen hatte, konnte sie ihn wieder deutlich sehen, geschrumpft zu seiner normalen Größe, aber trotzdem nicht weniger bedrohlich. Der rasende und unkontrollierte Wutanfall, mit dem sie gerechnet hatte, deutete sich mit keinem Zeichen an. Er kniff die Augen zusammen und presste die wulstigen Lippen aufeinander. Dieser Ausbruch hatte Ted nicht unvorbereitet getroffen, und er wusste, wie er damit umgehen würde.
    »Und du glaubst, damit kommst du durch, ja?«, sagte er mit einer kalten Heftigkeit, die sehr viel furchterregender war als jede Wut. »Ich behalt dich, zahl für deine Kleider und lass dich schicke Urlaube machen, und du kannst dich derart aufführen. Was steckt hinter all dem?«
    »Nichts«, erwiderte Marjorie. »Nichts, außer dass ich nicht will.«
    »Wer ist der andere Mann?« Ted schoss die Frage wie von einem Katapult auf sie ab. »Wer ist es?«
    »Es gibt keinen«, sagte Marjorie standhaft. Mit dieser Frage hatte sie gerechnet, und die Tatsache, dass sie ihr gestellt wurde, half ihr, sich zu fangen.
    »Wer ist es?«
    »Es gibt keinen«, wiederholte Marjorie. Nichts auf der Welt würde sie dazu bringen, etwas anderes zu sagen. »Es gibt keinen, wirklich und wahrhaftig nicht.«
    Ted glaubte ihr – nicht so sehr, weil sie so standhaft log, sondern weil es das war, was er glauben wollte. Es hätte einenschrecklichen Schlag für seine Selbstachtung bedeutet, wenn er erfahren hätte, dass Marjorie einen anderen Mann ihm vorzog. Noch einmal sah er sie aus seinen

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