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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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keine Sorgen, Lämmchen. Du musst dir keine Sorgen machen.«
    Sie siegte schließlich über diese albtraumhaften Sorgen.Es gelang ihr, sie allmählich wieder zu besänftigen und in eine Art Frieden zu lullen, bis die Erschöpfung sich erneut geltend machte und Marjorie wieder schlief – wenn auch nicht allzu tief; sie erschrak und murmelte selbst im Schlaf noch. Genau das hatte Dot auch getan, als sie ein kleines Mädchen gewesen war.
    Am nächsten Tag war Samstag, und Straßen, Promenade und Pier waren noch voller als gestern, da die Urlauber Zuwachs bekommen hatten durch Wochenendgäste. Und überall schienen Reklameplakate aufgestellt zu sein, draußen vor den Läden und auch an den Zeitungskiosken auf der Promenade:
    » B ESCHREIBUNG DER GESUCHTEN F RAUEN«
    An jeder Ecke schrie es ihnen entgegen. Mrs Clair kaufte eine Zeitung.
    »Wir können die Kapelle auch von diesem Platz aus hören, Adelaide«, sagte sie. »Setzen wir uns.«
    Sie hatte nicht die Absicht, drei Pence pro Person für einen Sitzplatz näher bei der Kapelle zu bezahlen – nicht solange das Geld in ihrer Handtasche in einem solch erschreckenden Tempo dahinschwand. Sie saßen genau so da, wie Marjorie mit George auf so vielen Promenaden dagesessen hatte in jenem Urlaub, der jetzt schon so lange her zu sein schien; und Mrs Clair schlug die Zeitung mit einem solchen Anschein rein beiläufigen Interesses auf, wie es ihr nur gelingen wollte. Da waren sie, ihre Beschreibungen, natürlich.
    »Marjorie Grainger. 32 Jahre alt. 1,62 Meter groß. Dunkles Haar, dunkle Augen, kleine Hände und Füße. Schlanke Gestalt, war sehr sonnengebräunt, als sie zuletzt gesehen wurde. Trägt vermutlich einen braunen Wollpullover und einen Rock.
    Martha Clair, 59 Jahre alt. 1,58 oder 1,60 Meter groß. Graues,fast weißes Haar, haselnussbraune Augen. Ist von adretter Erscheinung und sehr aktiv für ihr Alter. Trägt vermutlich ein schwarzes Kostüm und einen schwarzen Hut mit schwarzer Hornspange an der Seite.«
    Mrs Clair holte erleichtert Atem, als sie diese Beschreibungen las. Sie waren in mehreren wesentlichen Einzelheiten falsch. Marjorie trug den rot-grauen Pullover und dazu ihren braunen Rock. Und sie selbst – nun, manche Leute sagten vielleicht, dass ihre Augen haselnussbraun seien, aber sie selbst würde sie als grau beschreiben. Und das schwarze Kostüm mit dem schwarzen Hut bedeutete gar nichts. Die Hälfte aller Frauen über fünfzig in England trug schwarze Kostüme; und Hüte, auf die die genannte Beschreibung passte, konnte man in jeder Straße sehen. Insgesamt waren es keine sonderlich guten Beschreibungen, und Mrs Clair fragte sich, wer sie gegeben haben mochte. Die Größen hatte vielleicht jener Sergeant geschätzt; aber es musste wohl Mrs Taylor gewesen sein, Marjories direkte Nachbarin, die der Polizei ihre Kleidung beschrieben hatte, dachte Mrs Clair. Es wäre jedenfalls typisch Mrs Taylor, alles durcheinanderzubringen.
    Marjorie rutschte ruhelos neben ihr hin und her.
    »Was steht da, Mutter?«, fragte sie.
    Mrs Clair brachte sie mit einem Blick zum Schweigen; es saßen noch zwei weitere Leute auf der vollen Bank, und sie konnte nicht antworten aus Angst, belauscht zu werden. Also fuhr sie fort, die erste Seite zu lesen, und ihr eben noch so frisches Gefühl der Sicherheit schwand dahin und wandelte sich fast in Bestürzung, als sie es tat. Zwei kurze Absätze des Artikels handelten davon, wo Mrs Grainger und Mrs Clair sich aufhalten könnten. Und es schien nicht der geringste Zweifel daran zu herrschen, dass man sie bald fassen würde. Alle Häfen wurden überwacht, aber es war bekannt, dassdie beiden Frauen keine Reisepässe besaßen. Man nahm an, dass ihre finanziellen Mittel sehr knapp seien – das hieß (sagte Mrs Clair sich selbst), dass die Polizei von ihren fünfzig Pfund wusste und sich denken konnte, wie bald sie aufgebraucht sein würden. Letztlich sei es ja auch für jedermann offensichtlich, wie einfach es doch ist, zwei gemeinsam reisende Frauen, noch dazu Mutter und Tochter, zu identifizieren. Und abschließend wurde die Öffentlichkeit noch einmal in aller Deutlichkeit dazu aufgerufen, die Augen nach ihnen offen zu halten.
    Mrs Clair erlebte einen langen eindringlichen Augenblick der Hellsichtigkeit, als sie dort saß und über all dies nachdachte. Noch nie zuvor hatte sie innegehalten und sich die Beziehungen zwischen Presse, Polizei und Öffentlichkeit klargemacht, doch jetzt wurden ihr deren Verschränkungen schlagartig

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