Tödliche Option
Schlafzimmer. Sie hatte das Bett gemacht, während er duschte. Er
tastete unter seiner Bettseite und zog seine Schulterhalfter vor, nahm die
Pistole heraus und legte sie vorsichtig auf die Steppdecke. Nachdem er das
Ledergeschirr angelegt hatte, prüfte er seine Waffe und schob sie wieder in die
Hülle unter dem rechten Arm.
Wenn sie Silvestri beim Anziehen zusah, hatte
Wetzon immer das Gefühl, daß dies das gleiche Ritual war, wie wenn man eine
Frau ansah, die ihr Make-up auflegte. Die Waffe und seine Beziehung dazu übten
eine besondere Faszination auf sie aus. Auf eine merkwürdige Weise behandelte
er seine Pistole so, wie er sie behandelte.
Er richtete sich auf und fing ihren Blick auf,
und sie fühlte sich nackt und bloßgestellt, obwohl sie bereits ihr
Nadelstreifenkostüm trug. »Was für ein moralisches Problem?« fragte er. Er
küßte sie auf die Nase und ging in den Flur, um sein Jackett zu holen.
Sie spürte, daß seine Gedanken bei seiner Arbeit
waren und daß er nicht zuhörte, aber sie folgte ihm dennoch durch den Flur.
»Was ich über Luwisher Brothers weiß, gilt als vertrauliches Wissen.«
»So etwas gibt es bei einer Morduntersuchung
nicht.«
»Sagst du.«
»Möchtest du mitfahren?« Er stand ungeduldig an
der Tür.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich muß
ein paar Anrufe erledigen, und ich möchte die Zeitung durchsehen.« The Wall
Street Journal und The Times lagen auf dem Boden vor der Tür.
Er drückte den Abwärts-Knopf des Aufzugs und
stellte sich wieder zu ihr an die Tür. »Wie sieht dein Nachmittag aus?«
»Weiß nicht. Freitags ist nicht viel los bei
diesem Wetter. Alle brechen früh in Richtung Hamptons auf. Warum?«
»Ich möchte, daß du rüber ins Revier kommst und
mit uns über deine Investmentbanker sprichst.«
»Ach, Silvestri...«
»Kein >ach Silvestri<. Du hast immer
dabeisein wollen, jetzt ziehe ich dich hinein.«
»Ich muß darüber nachdenken.«
»Nein, mußt du nicht.« Er schloß die Tür.
Sie goß die letzten Tropfen Kaffee aus der
Melittakanne und bestrich die zweite Hälfte ihres Brötchens mit Butter, während
sie sich fragte, wo die Grenzen der Vertraulichkeit überquert werden konnten.
Was war richtig, was war falsch? War sie verpflichtet, es ihrem Kunden zu
sagen? Sie strich die köstliche Aprikosen-Orangen-Marmelade von Sarabeth’s auf das Brötchen und hob den Becher zum Mund.
Und was war mit Smith? Sie würde es ihr sagen
müssen. Verdammt. Da versuchte sie, zurückhaltend und neutral zu sein, und dann
schubsten Silvestri und Smith sie in eine Morduntersuchung. Sie stellte den
Becher auf die Theke und faltete das Journal auf, um die Artikel auf der
ersten Seite zu überfliegen. Die Schlagzeile in der Mitte der Seite lautete
»Barnes’ Tod vermutlich Mord«. Der Artikel gab John Hoffritz’ Erklärung wieder,
wie sie sie mitgehört hatte, aber keine neue Information, außer daß die New
Yorker Börse an diesem Tag um zwölf Uhr eine Schweigeminute zum Gedenken an
Goldie Barnes einhalten wollte. Unter Kleine Meldungen — Firmen und
Finanzen blieb Wetzon hängen und las einen kurzen Artikel. S&S Sedlet
Securities, eine kleine Maklerfirma mit Sitz in Atlanta, hatte ein Kaufangebot
für L. L. Rosenkind vorgelegt.
»O, nein!« rief sie laut. Die Stellensuche für
Howie Minton hatte sich erledigt. Er würde wahrscheinlich bleiben und sehen,
wieviel er rausschlagen könnte. Und er würde ganz schön was bekommen, davon war
sie überzeugt, weil keine Firma es sich leisten konnte, einen großen
Produzenten zu verlieren. S&S Sedlet würde wahrscheinlich wie üblich einen
Vertrag für zwei oder drei Jahre anbieten, mit einer Prämie am Anfang für große
Produzenten, damit sie blieben, und einer weiteren Prämie am Ende, die auf der
jährlichen Produktion während der Laufzeit des Vertrages basierte.
Sie dachte gerade, daß Smith wieder einmal recht
behalten hatte, als das Telefon läutete. Sie wischte sich die klebrigen Finger
ab und meldete sich.
»Wetzon!« Es war Smith, atemlos, als wäre sie
gerannt, was überhaupt nicht zu ihr paßte. Sie trieb keinen Sport, hielt nichts
davon, und ihr Stoffwechsel gab ihr recht. »Wetzon?«
»Ja.«
»Hast du den Artikel über Sedlet und den Kauf
von Rosenkind gelesen?«
»Ja. Sag’s nicht, bitte.«
»Was sagen?«
»Ich-habes-ja-gewußt über Howie Minton. Jetzt
wird er abwarten und sehen, was er geboten bekommt, damit er bleibt...«
»Na ja, selbstverständlich bietet man ihm eine
Prämie,
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