Tödliche Recherche
Wochenende und obendrein eine völlig andere Auffassung von der Seitengestaltung als die Eminenz. Außerdem würde sich das Klima bis zur nächsten Woche nicht verbessert haben, mutmaßte Bahn.
Es hat keinen Zweck mehr, befand Bahn. Ende des Jahres hau’ ich in den Sack! Finanziell einigermaßen durch eine Erbschaft abgesichert, wollte er nun doch den schon so oft erwogenen Schritt in die Selbständigkeit wagen. Er war bekannt in Düren, hatte gute Ideen und kannte einflußreiche Leute. Er würde schon über die Runden kommen, da war Bahn zuversichtlich. Sorgen bereitete ihm allenfalls Gisela.
Aber nach guter Bundeswehrmanier gab er sich den Rat, erst einmal über seine Entscheidung zu schlafen. Taschen wollte er nicht informieren. Der kann mich ja fragen, wenn er was will, sagte er sich.
Bahn wollte Thea Schramm anrufen, nur um mit ihr zu reden. Als er seine Absicht der Redaktionssekretärin mitteilte, tippte sie sich nur mit dem Finger gegen die Stirn. „Du tickst wohl nicht ganz sauber. Die haben eine Beerdigung zu verarbeiten.“
Bahn merkte, daß er schon wieder so vom journalistischen Alltag gefangen war, daß er diese Tatsache fast verdrängt hatte.
Es schien doch etwas an der Behauptung dran zu sein, daß Journalisten doppelt so schnell leben. Stets mit dem Blick nach vorne, auf der Suche nach etwas Neuem, war das Geschehene oft viel zu schnell wieder abgehakt.
Samstag, 9. November
Unruhig lief Bahn den gesamten Vormittag über durch das Haus. Selbst die Renovierungsarbeiten konnten ihn nicht ablenken. Irgendwann ging einmal das Telefon. Gisela wird’s schon richten, dachte sich Bahn, als es wieder still war. Er verspürte das Bedürfnis, Thea anzurufen, ohne zu wissen warum. Doch traute er sich nicht. Die Reaktion von Fräulein Dagmar gestern hemmte ihn ebenso wie die Anwesenheit von Gisela.
Gisela benahm sich ohnehin merkwürdig, war wortkarg und hielt sich von ihm fern. Frauen, dachte sich Bahn und schlug sich mit dem Hammer auf den Daumen bei seinem Versuch, einen Nagel in die Wand zu schlagen.
Während er fluchte, kam Gisela mit dem tragbaren Telefon. „Für dich“, sagte sie kurz angebunden, „eine Frau.“
Thea war am anderen Ende der Leitung, wie Bahn erfreut feststellte. Sie wollte sich für seine impulsive Anteilnahme bei der Beerdigung bedanken. „Du warst für Konrad ein Freund. Vielleicht können auch wir Freunde werden.“ Sie stockte. „Ich brauche jemand, der zu mir hält, Helmut“, ergänzte Schramms Witwe leise.
Bahn war für einen Moment sprachlos. Was meinte Thea bloß damit?
„Versteh mich nicht falsch“, fuhr sie verlegen fort, „ich brauche jemanden, mit dem ich ab und zu reden kann, der zu
mir hält. Ich möchte nur wissen, ob ich dich anrufen kann, wenn ich einmal Hilfe brauche.“ Konrads Tod und die Schwangerschaft würden an ihrer Substanz zehren.
„Natürlich“, versicherte Bahn. Es sei ihm geradezu peinlich gewesen bei der Beerdigung, als er Taschens Verhalten miterleben mußte, fügte er hinzu.
„Und der Kranz von Redaktion und Verlag war ja auch nicht gerade berauschend“, meinte er. Die hätten ruhig eine größere Aufmerksamkeit zeigen können. Aber in solchen Dingen wäre sein Brötchengeber bekanntermaßen geiziger als die Schotten.
Thea widersprach ihm vehement. Der Kranz sei doch nur ein äußeres Zeichen gewesen. Der Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Köln habe sich außerordentlich entgegenkommend und hilfsbereit gezeigt. „Ich habe vom Tageblatt einen Scheck über fast fünfundzwanzigtausend Mark erhalten. Das ist wohl das Jahresgehalt, das Konrad als Volontär bekommen hätte, denke ich mal.“ Der Chefredakteur habe ihr außerdem in einem Begleitschreiben erklärt, Konrad hätte auf jeden Fall ab Januar eine einjährige Ausbildung gemacht. Der Arbeitsvertrag sei schon von der Verlagsleitung unterzeichnet gewesen, es hätte nur noch die Unterschrift von Konrad gefehlt. Die Zeitung hätte große Stücke von Konrad gehalten und ihn schon bei der personellen Planung für die Zukunftberücksichtigt.
Bahn verstand die Welt nicht mehr. „Wie bitte?“ Das konnte doch nicht sein. „Ich denke, Taschen habe das Volontariat abgelehnt“, verplapperte er sich. Doch Thea hatte ihm wohl nicht richtig zugehört.
„Was Taschen mit Konrad am Montag besprochen hat und was der Verlag tut, sind zweierlei Dinge.“ Wahrscheinlich aber habe Konrad das Gespräch mit der Eminenz nicht richtig wiedergegeben. „Wenn Konrad mir sagt, ich brauche mir keine
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