Tödliche SMS (German Edition)
gesagt, dass wir Silke endlich beerdigen können.“
„Ja, endlich“, sagte Andrea. Erwähnte aber mit keinem Wort, dass sie bereits Bescheid wusste. „Habt ihr schon einen Termin?“
Maria König nickte. „Ja, am Samstag, fünfzehn Uhr.“
„Aber das ist ja schon morgen“, entfuhr es Andrea.
Die alte Frau nickte. „Ich wollte dich heute noch anrufen. Unser Pfarrer, er hat die Silke ja schon als Baby gekannt, hatsie getauft, deshalb hat er es so schnell möglich gemacht … und die Umstände …“ Sie brach ab, hob ihre Hände mit einer verzweifelten Bewegung in die Luft, ließ sie wieder sinken. „Du kommst doch?“
„Natürlich.“
„Würdest du auch Silkes Freunden Bescheid sagen? Ich kenn sie ja nicht.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und diesem Regisseur, der sie heiraten wollte.“
Andrea nickte. Sie ahnte, dass Max’ Erscheinen sehr wichtig für Silkes Eltern war. In Gedanken schwor sie sich, dass er dabei sein würde, und wenn sie ihn an seinen Ohren zur Beerdigung ziehen musste. Das war er Silke verdammt noch mal schuldig.
Nach der Identifizierung fragte sie nicht. Es schnürte ihr die Kehle zu, wenn sie an die beiden alten Leute dachte, wie sie da vor ihrer einzigen Tochter standen. Ein lebloses Wesen auf einer kalten Metallbahre.
Walter König saß, wie bei ihrem letzten Besuch, in dem hellbraunen Ohrensessel. Er blätterte in einem Album.
Er trug wieder den dunkelgrauen Hausanzug, wie bei ihrem letzten Besuch. Wahrscheinlich hatte er den Sessel seither nur zum Schlafengehen verlassen. Andrea ging näher, legte ihre Arme um den Hals des alten Mannes und flüsterte ihm ins Ohr: „Hallo, Walter.“
Bewegung kam in die alten Knochen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er hob leicht seine linke Hand und drückte sanft Andreas Arm.
„Schön, dass du wieder da bist. Sieh mal!“ Er deutete auf ein Bild. Es zeigte Silke. Sie war darauf höchstens vier Jahre alt. Ihre dunklen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie saß auf einer Schaukel und lachte. Walter König ließ Andreas Arm los und strich mit einer liebevollen Geste über das Foto.
„Dieses Album sieht er sich schon seit Tagen an. Es ist nichts mehr anzufangen mit ihm. Nicht einmal von der Beerdigung will er was wissen. Der Pfarrer war inzwischen dreimal bei uns, aber er hat kein Wort gesagt“, sagte Maria König traurig. Das feuchte Handtuch hielt sie noch in der Hand. „Setz dich!“
Andrea nahm auf der Couch Platz. Maria König verschwand in der Küche, um Wasser aufzusetzen.
„Kaffee oder Tee?“, rief sie durch die geöffnete Tür.
„Kaffee“, gab Andrea zurück.
Walter König schwieg, blätterte weiter im Album, hatte aufgehört zu existieren. Nur hie und da hustete er dumpf und hohl.
Wenig später war Silkes Mutter mit einem Tablett zurück, mit drei Tassen, einer Kaffeekanne und den Tortenstücken auf einem Teller. Sie schenkte ein. Stumm drückte sie ihrem Mann eine Tasse in die Hand.
„Hast du etwas Neues erfahren?“, fragte sie, während sie sich in den Fauteuil fallen ließ, der Andrea gegenüber stand.
Andrea schüttelte den Kopf. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, herzukommen. Sollte sie die beiden mit ihrem Verdacht konfrontieren oder sollte sie es bleiben lassen? Wenn sie sich für Letzteres entschied, würde sie keinen Schritt weiterkommen und die Wahrheit möglicherweise für immer im Dunkeln bleiben. Wahrscheinlich wären die alten Leute auch Silkes letzte Anlaufstelle nach einer Vergewaltigung gewesen. Aber mit wem hätte sie sonst geredet? Sie hatte zwar viele Freunde, aber diese Freundschaften waren oberflächlich. Es war eine schwierige Situation.
Sie nahm sich vor, die Sache langsam und überlegt anzugehen, begann daher das Gespräch zunächst mit einem anderen Thema.
„Bei der Hausverwaltung hat sich ein Mann gemeldet. Er würde gerne die Wohnung von Silke übernehmen, hat sie sichdeshalb kürzlich angesehen. Ja, und da ist er auf die Idee gekommen, die Möbel gleich zu übernehmen. Ich hab ihm gesagt, dass ich vorher mit euch darüber reden will. Immerhin seid ihr die …“
Das Wort „Erben“ brachte sie nicht über die Lippen.
Maria König warf ihrem Mann, der keinerlei Reaktion zeigte, einen kurzen Blick zu. Wieder eine Entscheidung, die sie alleine treffen musste.
Sie wandte sich an Andrea. „Was meinst du?“
„Ich weiß auch nicht genau. Die Frage ist doch vielmehr: Wohin mit den Möbeln? Ich habe inzwischen
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