Tödliche SMS (German Edition)
Schloss ließ Andrea die Angst im Nacken hochkriechen. Sie hörte Schritte in der Diele, einen Moment lang stockte ihr Herz, dann stand er im Raum. Er hielt eine Aktentasche in seiner rechten Hand. Sie erstarrte. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet.
„Zeit, unser Gespräch fortzusetzen“, sagte er in gewohnt höflichem Tonfall. Langsam kam er näher, beugte sich über sie. Seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Es fiel ihr schwer, ihn anzusehen. Sein Gesicht war so ausdruckslos, sein Blick so hasserfüllt. Der Anflug eines bösartigen Lächelns enthüllte seine Zähne, als er ihr mit einem Ruck das Klebeband vom Mund riss. Ihre Haut brannte wie Feuer.
Andrea mobilisierte all ihre verbliebenen Kräfte.
Luft.
Gierig wie ein Fisch auf dem Trockenen, schnappte sie nach Luft, wollte schreien. Sofort presste er ihr seine Hand auf Mund und Nase. Sie bekam fast keine Luft.
„Ruhe, sonst bist du tot“, zischte er ihr ins Ohr, dann ließ er los.
Sie atmete gierig, schluckte, atmete, stöhnte auf, hustete dumpf.
„Was wollen Sie von mir?“, schrie sie schließlich verzweifelt.
Er antwortete nicht auf ihre Frage, sagte nur in gewohnt höflichem Ton: „Ich hoffe, dass Sie es bequem haben, denn immerhin werden wir einige Zeit miteinander verbringen, bis Sie …“ Im Bewusstsein, dass sie den Rest des Satzes längst kannte, ließ er die unausgesprochenen Wörter breit grinsend im Raum hängen.
Mit Schrecken fiel ihr ein, wie selbstverständlich sie ihm vertraut und ihn in seine Wohnung begleitet hatte, sich von ihm hatte beruhigen lassen und wie leichtsinnig sie ihm seine Lügen über seine Freundin in der Steiermark und eine mögliche Familie geglaubt hatte. Auch das Telefonat mit dem Schlüsseldienst war fingiert gewesen.
So als würde er ihre Gedanken erraten, sagte Kogler: „Sie haben doch meine Qualitäten als Schauspieler erkannt. Und trotzdem sind Sie mir nicht auf die Schliche gekommen?“ Er lachte heiser. „Ja, Frau Reiter. So ist das Leben.“
Sie war wütend und sprachlos zugleich. Auf ihrem nackten Körper bildete sich eine Gänsehaut, ein Schüttelfrost ließ sie zittern. Der Schock. Trotzdem versuchte sie, jetzt nicht hysterisch zu werden, sie durfte nicht zulassen, dass er mit ihr das Gleiche tun würde wie mit Silke. Sie musste jetzt ganz allein ihrem Verstand vertrauen und genau das tun, was sie für richtig hielt, ohne lange darüber nachzudenken.
Aus irgendeinem Grund fiel ihr dieses Sprichwort ein, das Silke bei Beziehungsstress gerne benutzt hatte: Angriff ist die beste Verteidigung. Ob das jetzt auch zutreffen würde, würde sie gleich wissen.
„Und, werden Sie mich jetzt auch abschlachten, so wie Silke?“, zischte sie.
„Was heißt abschlachten? Was für ein hässliches Wort. Nein, ich hab mir etwas ganz Besonderes für Sie ausgedacht. Immerhin sollen Sie auch etwas Spannung haben. Oder wie sagt ihrFilmleute? Die Dramaturgie muss stimmen.“ Er grinste. „Und eines müssen Sie zugeben, Andrea. Die Dramaturgie stimmte an ihrem Geburtstag, oder etwa nicht?“ Langsam zog er das Leintuch zurück, ergötzte sich an ihrer Nacktheit. Sein Blick glitt anzüglich über ihren Körper, blieb kurz an ihrer Scham hängen, wanderte wieder nach oben, streifte ihre Brüste, bevor er ihr wieder in die Augen blickte.
„Nur eine Kleinigkeit ist mir bei Silke danebengegangen.“ Er kniff die Augen zusammen, zischte sie mit hasserfülltem Blick an. „Sie war schon tot, bevor ich meine Arbeit erledigen konnte. Aber das wird mir in Ihrem Fall nicht passieren.“
Ihr stockte der Atem. Nur keine Angst zeigen, betete sie sich vor.
„Was für ein Tag ist heute?“
„Dienstag.“
Andrea überlegte kurz. Dann hatte sie vor über vierundzwanzig Stunden Remo um einen Rückruf gebeten. Wahrscheinlich war er inzwischen in ihre Wohnung gefahren, hatte die Tauben gefunden und suchte sie bereits.
Aber woher sollte er wissen, wo sie war?
„Woran denken Sie? An Ihren Polizisten? Der wird Sie nicht rechtzeitig finden, ich habe einige falsche Spuren gelegt.“
Sie gab keine Antwort, aber irgendwie musste sie ihn in ein Gespräch verwickeln. Sie musste Zeit gewinnen …
Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde.
„Warum? Was wollen Sie?“, fragte sie mit leiser Stimme.
Er berührte ihre Stirn, strich zärtlich darüber.
„Morgen“, sagte er kalt, „morgen ist der 8. November. Der Tag, an dem Sie sterben werden“, fügte er hinzu. „Ich werde Sie jetzt noch einmal
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