Tödliche SMS (German Edition)
Und sie war darauf reingefallen.
Die Fotos?
Wenn Kogler so viele Fotos von Silke und ihr besaß, war er jahrelang in seiner Wohnung hinter dem Fenster gesessen und hatte sie beide tagaus, tagein fotografiert. Dieser Gedanke jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.
Sie beobachtete ihn, sah, wie er einen schwarzen Rucksack vor die Leinwand mit Andreas Namen stellte und sich setzte. Er holte eine Flasche Champagner, zwei Gläser und eine Kamera mit Speziallinse und Teleaufsatz aus dem Gepäckstück, hielt den Apparat vor seine Augen, zielte in ihre Richtung.
Klick, klick, klick.
Natürlich, das war’s, durchfuhr es Andrea, nur leider zu spät. Das unscharfe Foto in Silkes Album. Die Person hinter den Gardinen und der Mann mit den großen Augen auf Silkes Bildern, das war Kogler. Silke hatte gewusst, dass er sie beobachtete. Einen Moment lang, einen kurzen Moment wünschte sie sich, sie hätte München niemals verlassen, hätte nicht den Wunsch gehabt, mit ihrer besten Freundin zu feiern. Würde Silke dann noch leben?
Sie unterdrückte das aufkommende Gefühl von Selbstmitleid, schalt sich ob ihrer Schwäche, konnte aber nicht dagegen an, dass ihr Blick Hoffnungslosigkeit und Angst ausdrückte.
Doch er ignorierte ihr stummes Flehen.
Bedächtig nahm er ein Messer, Latexhandschuhe, einen grünen Operationskittel und eine Plastikfolie aus dem Rucksack. Er sah auf seine Armbanduhr. „Es ist einundzwanzig Uhr und dreißig Minuten. Wir haben also noch dreieinhalb Stunden Zeit. Wussten Sie schon, dass ich um ein Uhr morgens geboren wurde?“
Sie schluckte, bemühte sich, gleichmäßig durch die Nase zu atmen. Er würde sie um ein Uhr morgens töten, so viel war mal sicher. Sie hätte gerne nach dem „Warum“ gefragt, versuchte sich verständlich zu machen, aber ihrer Kehle entwich nur ein klägliches Stöhnen, weil das widerliche, stickige Klebeband über ihrem Mund sie daran hinderte, Worte zu formen.
Er ignorierte sie, konzentrierte sich auf seine Vorbereitungen, griff erneut in den Rucksack, nur diesmal mit beiden Händen, und entnahm ihm eine Tortenhaube: Sachertorte mit einem Hochzeitspaar aus Marzipan.
Der Geruch Wiens.
Nur, dass er sich diesmal mit dem Geruch von Blut vermischen würde, was für Andrea dann nicht mehr von Bedeutung sein würde. Sie warf verzweifelt den Kopf hin und her, zerrte an ihren Fesseln, aber diese schnitten nur noch tiefer in ihr Fleisch. In ihrer Panik begann sie zu weinen, dicke Tränen liefen ihr seitwärts übers Gesicht. Niemand war da, um sie zu trösten, niemand, der sie schüttelte, lachte und ihr sagte, dass alles nur ein schrecklicher Alptraum war.
Warum ausgerechnet Silke? Warum ausgerechnet sie?
Seelenruhig zog Kogler aus einem Seitenfach Kerzen und ein Feuerzeug hervor, steckte die Kerzen in den Kuchen undzündete sie an. Er tat so, als wäre sie gar nicht da. Andrea konnte den Kopf nicht weit genug herumdrehen, um die Kerzen zählen zu können.
„Kommt Ihnen das hier bekannt vor?“, fragte er plötzlich. Er wartete keine Reaktion ab. „Sie haben Ihre eigene Torte gar nicht angerührt. Ich musste sie wieder mitnehmen und wegschmeißen. Das war nicht höflich von Ihnen, gar nicht höflich. Ich habe mich so bemüht, Ihnen ein wunderbares Geburtstagsfrühstück zu bereiten. Geburtstage sind heilige Tage, wussten Sie das?“
Er redete sich in eine euphorische Stimmung. „Du fragst dich sicher, warum Silke sterben musste?“
Sie zeigte keine Reaktion.
Sein freundliches Gesicht verwandelte sich in eine hämische Fratze. Aus irgendeinem Grund hatte er sein höfliches Getue abgelegt, nun endgültig das förmliche Sie gegen das persönliche Du getauscht.
In seinen Augen flackerte eine schmerzhafte Erinnerung auf. Sein Blick veränderte sich wieder, wurde irgendwie zärtlich, fast sanft. Kogler nahm das Messer, stand auf, ging zum Tisch.
Musste sie jetzt sterben?
Sie hatte noch nie in ihrem Leben so große Angst gehabt.
Sie konnte nichts dagegen tun. Sie war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er griff nach dem Leintuch, zog es weg, legte das Messer auf ihren nackten Bauch. Die Klinge war kalt. Er betrachtete eine Zeit lang ihren nackten Körper.
Regungslos lag sie da, weinte, flehte ihn noch immer stumm an, ahnte, was bevorstand. Sie war wie gelähmt vor Angst.
„Andrea“, sagte Kogler ernst. Er ging mit ihr auf Blickkontakt, hielt dabei den Griff des Messers fest in der Hand, und Andrea kam es vor, als möge er sie sofort töten. Blanker Hass
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