Tödliche SMS (German Edition)
um die sie Andrea später beneidet hatte.
„So ging es dann monatelang weiter. Wir haben es immer öfter getan. Natürlich wusste Gerhard nichts davon. Auch als sie ihn verlassen hatte, kam sie noch regelmäßig in meine Wohnung. Wir haben von der Zukunft geredet, uns gegenseitig von unseren Träumen erzählt. Ich wollte sie heiraten, ihr einen Antrag machen, an meinem 22. Geburtstag. Aber sie ist einfach nicht gekommen, hat mich sitzen lassen, genau wie ihn.“ Die Sanftheit wich aus seinem Gesicht, die Tonlage wurde wieder eisig. „Diese Schlampe. Ich hatte Sachertorte gekauft und Champagner besorgt. So wie damals, mit Gerhard. Sie hat nicht einmal angerufen. Ist ganz einfach verschwunden.“
Er sah sie an wie ein verletztes Tier.
Dass sie damals erst fünfzehn, noch fast ein Kind gewesen war, bei ihren Eltern gelebt hatte, spielte für ihn keine Rolle. Sie hatte ihm das Herz gebrochen, war ihm aus dem Weg gegangen. Hatte das Haus nicht mehr zu den üblichen Zeiten verlassen und kurz darauf die Schule gewechselt. Wohin sie gegangen war, hatte ihm niemand erzählt. Er hatte ja keine anderen Freunde. Und Gerhard wollte er nicht fragen.
„Später dann, als ich es nicht mehr ausgehalten hab, hab ich sie in ganz Wien gesucht und gefunden.“
Ihr Name stand im Telefonbuch. Es waren inzwischen über fünf Jahre vergangen, sie war fast einundzwanzig, hatte eine eigene Wohnung und nicht mehr mit ihm gerechnet. Sie hatte ihn schon fast vergessen.
„Ich hab mir eine Wohnung gemietet, die in ihrer Nähe lag. Hab sie immer wieder abgefangen, ihr von meiner Liebe erzählt, sie gebeten, zurückzukommen. Sie wollte nichts davon hören. Wenn sie die Wohnung wechselte, wechselte auch ich meine Wohnung. Schaffte es immer, in ihrer Nähe zu sein. Nicht immer im gleichen Haus, aber zumindest nur ein oder zwei Straßen weiter. Sie ist immer wieder fortgezogen. Fort von mir, raus aus dem Haus, weg aus dem Bezirk. Einfach so in eine andere Wohnung, als ob das was geändert hätte. Ich hab sie immer wieder gefunden, bin nachts vor ihrem Haus gestanden, hab nach ihr gerufen …“
Und mit einem Mal war ihr, als wären sie wieder in der Wohnung, aßen Pizza und redeten über die Möbelablöse. An diesem Abend hatte er davon gesprochen, dass er auf der Suche war, davon, dass er etwas verloren hatte.
Es traf sie wie ein Messerstich in die Brust. Die Sache mit dem Unfall, dass er Silkes Grab nur besucht habe, weil sie ihn an den Unfall seiner großen Liebe erinnerte. Alles erstunken und erlogen.
Koglers Augen waren seltsam blicklos, wie in weite Ferne gerichtet. Der Wahnsinn stand in seinem Gesicht. Er sprach jetzt zu sich selbst, mit fremder Stimme.
„Ich musste aus beruflichen Gründen Wien verlassen, bin in die Steiermark und vor etwa zweieinhalb Jahren wieder zurück nach Wien. Selbstverständlich hab ich sie sofort wieder gesucht und durch ein Foto in der Zeitung gefunden. Sie stand da mit diesem Regisseur, diesem … Max vor einem Plakat.“
Er spuckte Max’ Namen förmlich in den Raum, machte eine abfällige Handbewegung.
„Ich war läppische zweieinhalb Jahre nicht in Wien. Sie hätte warten müssen. Aber was tat sie? Schleppte diesen Regisseur, diesen Max ab.“
Silke ignorierte seine Anrufe, las keines seiner Gedichte, dachte nicht daran, ihm zuzuhören. Er tauchte immer öfter in Lokalen auf, die Silke und Max gemeinsam besuchten, drohte schließlich, Max etwas anzutun, kontrollierte Silkes und ihre Post.
Deshalb hatte Silke die Brautjournale an die Adresse ihrer Eltern schicken lassen. Sie hatte nicht mehr vor ihm weglaufen, hatte sich der Situation stellen wollen. Sie hatte ihre eigenen Ratschläge befolgt. Ratschläge, die sie auch Andrea gegeben hatte, als Chris ihr immer wieder aufgelauert hatte und sie geneigt gewesen war, den Kopf einzuziehen.
Stalking, schoss es Andrea durch den Kopf.
Koglers Verhalten wurde noch extremer.
Er schickte Max Fotos, die Silke und Kogler beim Sex zeigten. Silke schickte er Fotos von Max und einer anderen Frau. Das anonyme Schreiben.
Die vielen Computer in Koglers Wohnung. Jetzt fiel Andrea die Lösung ein. In Wirklichkeit war es immer dasselbe Foto gewesen, das verschickt worden war. Es zeigte Max und Silke beim Sex. Mit Fotomontage hatte Kogler dann die Bilder verändert. Eine leichte Übung. Damals waren noch keine Vorhänge vor den Fenstern gehangen. Mit einem Spezialobjektiv hatte er die Körper fokussiert, so dass man von der Umgebung nichts erkennen konnte. Danach
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