Tödliche Unschuld
uns versetzen lassen. Vor ein paar Monaten wurde er im Rahmen einer unserer Operationen schwer verletzt. Er hat dabei meine Befehle bis aufs Wort befolgt und hat bewiesen, dass er Rückgrat hat. Aber seine Instinkte sind noch nicht vollständig entwickelt, und er hat noch eine ziemlich dünne Haut. Ich möchte halt nicht, dass er wegen dieses Vorfalls mehr Schläge einsteckt, als er tatsächlich verdient.«
»Wenn er sich nicht behaupten kann, findet er das besser sofort heraus. Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
»Falls seine Schüsse nicht die Todesursache gewesen sind, könnte man doch auf die vorgeschriebene, dreißigtägige Beurlaubung verzichten. Sie wissen, welchen emotionalen und mentalen Stress sogar eine rechtmäßige Suspendierung verursachen kann. Er hat auf die Hilferufe einer Zivilistin reagiert und sich dabei, ohne eine Sekunde zu zögern, selber in Gefahr gebracht.«
»Er hat es versäumt, Verstärkung zu erbitten.«
»Ja, Sir, das ist richtig. Aber haben Sie nicht eventuell auch schon mal einen Alleingang unternommen, obwohl das nicht ganz vorschriftsmäßig war?«
Whitney zog die Brauen in die Höhe. »Wenn ja, hätte ich es verdient, dass man mir dafür kräftig in den Hintern tritt.«
»Ich werde ihm gewaltig in den Hintern treten.«
»Ich werde über eine Aussetzung der Suspendierung nachdenken, sobald ich sämtliche Informationen vor mir liegen habe und die Sachlage genauer beurteilen kann.«
»Danke, Sir.«
Halloway hockte in seiner Arbeitsecke vor Cogburns alter Kiste und schimpfte dabei leise vor sich hin.
Kaum spielte man in seiner Pause ein bisschen Crusader, schon bekam man nur noch dämliche Routinearbeit aufgebrummt. Wer zum Teufel interessierte sich schon für die Daten im Computer eines toten kleinen Dealers, der mit irgendwelchen Kiddies im Geschäft gewesen war? Was hatte Feeney vor? Wollte er die kleinen Kunden bei ihren Mamis anschwärzen oder was?
Vier Stunden, dachte er und warf erneut ein Mittel gegen sein bohrendes Kopfweh ein.
Vier verdammte Stunden, in denen er vor einer nutzlosen zweitklassigen Kiste hockte und lauter nutzlose Dateien herunterlud, nur weil der ach so tolle Feeney von der ach so tollen Dallas darum gebeten worden war.
Er lehnte sich zurück und rieb sich die müden Augen.
An den Absender von diesem ›Reinheits‹-Schwachsinn kam er einfach nicht heran.
Cogburn hatte diesen Blödsinn eindeutig nicht selbst verfasst. Das stand fest. Er war von außen reingekommen, aber, verdammt, wen interessierte das denn überhaupt?
Vollkommene Reinheit. Wahrscheinlich irgendeine Babywaschlotion.
Das Dröhnen seines Schädels brachte ihn fast um. Dazu herrschte eine Affenhitze im Raum. Wahrscheinlich hatte mal wieder die verdammte Klimaanlage den Geist aufgegeben. Nichts und niemand machte heute seine Arbeit. Niemand außer ihm.
Er stieß sich von seinem Schreibtisch ab und sprang in dem verzweifelten Verlangen nach Luft und Wasser auf.
Als er auf dem Weg durch das Büro einige Kollegen mit den Ellenbogen anrempelte, trug ihm das eine Reihe einfallsreicher Vorschläge zur Selbstbefriedigung ein. Als er schließlich vor dem Wasserspender stand und einen Becher Wasser nach dem anderen leerte, verfolgte er mit bösen Blicken, was die übrige Abteilung währenddessen tat.
Sieh sie dir doch nur mal an. Wie ein Haufen Ameisen. Jemand sollte der Welt einen Dienst erweisen und ein paar von diesen Ameisen zerquetschen.
»He, Halloway.« McNab kam gerade gut gelaunt von einem Außeneinsatz herein. »Wie geht’s? Ich habe gehört, dass du dir einen Scheiß-Routine-Auftrag eingehandelt hast.«
»Fahr zur Hölle, Arschloch.«
McNab wollte gerade etwas Unfreundliches erwidern, als ihm plötzlich auffiel, wie kreidig der Kollege aussah und dass ihm der Schweiß in Strömen in die Augen rann. »Du siehst etwas erschöpft aus. Vielleicht solltest du eine kurze Pause machen.«
Abermals hob Halloway einen vollen Becher an den Mund. »Ich werde dir gleich zeigen, was erschöpft ist. Lass mich bloß in Ruhe, bevor ich all den anderen Schwanzlutschern hier zeige, was für ein Weichei Feeneys Liebling ist.«
»Hast du plötzlich ein Problem mit mir?« Wenn ja, war ihm das neu. Bisher hatten er und Halloway sich gut verstanden. »Meinetwegen gehen wir runter in den Fitnessraum und tragen dort die Sache unter Männern aus. Dann werden wir ja sehen, wer von uns das Weichei ist.«
Feeney kam herein und blieb, als er spürte, dass Spannung in der Luft lag, neben dem
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