Toedliche Verfolgung
dem Metallgerüst auf. Lissa konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber er schien Georges Absicht zu erkennen. Er richtete sich weiter auf, hob die Pistole und schoss in schneller Abfolge auf den Hubschrauber. Funken stoben, als die Geschosse in das Metall eindrangen. Durch das gesplitterte Glas konnte Lissa nicht erkennen, ob der Verräter getroffen wurde, aber das Geräusch des Motors änderte sich. Vielleicht hatte Jack etwas Wichtiges erwischt. Er stand weiterhin aufrecht auf der Förderanlage, wahrscheinlich versuchte er einen Weg zu finden, wie er hinuntergelangen konnte.
Falls Jack ihre Hilfe brauchte, wollte sie bereit sein. Mit neuem Eifer suchte Lissa nach dem Nagel. Er musste hier irgendwo sein, wenn sie lange genug suchte, würde sie ihn sicher wiederfinden. Gerade als ihre Fingerspitzen ihn berührten, blickte sie auf und sah, wie George sich über den Pilotensitz lehnte und seine Pistole hob.
40
»Nein!« Ihren Schrei hörte nur sie selbst, Jack schien die Gefahr, in der er schwebte, nicht zu bemerken. Lissa wollte aufspringen und ihn warnen, doch ihre Fesseln hielten sie am Boden. Und dann war es auch schon zu spät. Jack stürzte nach hinten und verschwand außer Sicht. »Jack!« Angespannt wartete sie darauf, ein Lebenszeichen von ihm zu entdecken, doch es rührte sich nichts.
Der Hubschrauber, der Lärm, die Mine, alles hörte auf zu existieren. Wie in Zeitlupe sah Lissa Georges freudiges Lachen, wie er den Arm triumphierend in die Luft reckte. Mit einem Werkzeug entfernte er die Reste der zerstörten Frontscheibe, dann winkte er ihr zu.
Nein!
Er durfte nicht einfach so davonkommen.
Wenn Jack schwer verletzt oder sogar tot war … Lissa spürte einen Schmerz in der Brust, den sie nicht für möglich gehalten hätte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, Augen und Lunge brannten. Das konnte nicht sein, sie hatte Jack doch gerade erst gefunden! Das Dröhnen in ihren Ohren wurde lauter, bis sie meinte, schreien zu müssen, wenn der Druck nicht bald nachließ.
Plötzlich war alles vorbei. Die Welt hörte auf, sich vor ihren Augen zu drehen, das Geräusch der Rotoren drang wieder zu ihr durch. Eiskalte Ruhe breitete sich in ihrem Körper aus. In einem seltsam losgelösten Teil ihres Verstandes erkannte sie, dass sie unter Schock stand, aber sie hatte nicht die Energie, dagegen anzukämpfen. Im Gegenteil, wenn der Schmerz so betäubt wurde und es ihr erlaubte, zu funktionieren, war es ihr sogar recht.
Mit steifen Fingern schob sie die Spitze des Nagels in den Verschluss der Plastikfessel und bohrte so lange, bis sich die Lasche weitete. Das Plastik verschob sich um mehrere Millimeter, dann hing es wieder fest. Weiter, noch etwas weiter und sie wäre die verdammten Fesseln los. Sie würde einen Weg finden, auf den Vorsprung zu kommen und Jack zu helfen. Vermutlich sollte sie versuchen, George aufzuhalten, aber sie wusste nicht, wie sie das ohne Waffen anstellen sollte. Eins nach dem anderen. Erst musste sie freikommen, dann konnte sie sich überlegen, wie sie weiter vorging. Noch einmal glitt die Nagelspitze tief in den Kunststoff. Gleich …
Wieder spritzte dicht vor ihr der Sand auf. Langsam hob sie den Kopf und sah gerade noch, wie George sich wieder aus dem Cockpit schwang. Was hatte er vor? Warum hob er nicht einfach ab und flog davon? Stattdessen lehnte er sich erneut in ihre Richtung, legte an und schoss. Lissa schloss die Augen, zog die Knie an ihre Brust und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen.
Lissa hob den Kopf, als plötzlich ein Lichtstrahl aufblitzte.
Jack, er lebte noch!
Ihre Freude wurde durch Entsetzen abgelöst, als sie erkannte, was er vorhatte.
Der Mann war irre!
Das konnte er nicht wirklich planen, es war ohne Zweifel die idiotischste Aktion, die sie je gesehen hatte. Sie wollte ihm zurufen, es nicht zu tun, aber es war schon zu spät.
Mit einem Aufheulen des Motors, den sie sogar über dem Lärm der Rotoren hörte, raste Jack mit der Harley über die Förderanlage, um sich an deren Ende in die Luft zu erheben. Lissa wollte das nicht sehen, aber sie konnte ihre Augen nicht losreißen. Gebannt beobachtete sie, wie sich die Maschine samt Fahrer auf die sich drehenden Rotoren des Hubschraubers zu bewegte. Hinter ihm flog etwas Glitzerndes durch die Luft. Es sah aus wie ein Seil oder Kabel.
Während Jack es irgendwie schaffte, nicht in die Rotoren zu geraten, legte sich das an der Maschine befestigte Seil darüber. Funken sprühten, laute Schläge und kreischende
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