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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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eine weitere Tasse Kaffee aus ihrer Thermoskanne auf dem Schreibtisch ein und stellte sich auf besonders sorgfältiges Hinschauen ein.

    Paula hatte keine Ahnung, wie lange sie schon in dem kahlen, engen Raum mit der nackten Glühbirne lag, die alles so brutal deutlich machte. Zuerst war sie einfach überwältigt vor Erleichterung und Dankbarkeit, dass sie noch am Leben war. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum. Die früheren Opfer hatte er, wie sie wusste, fast sofort gequält, nachdem er sie von der Straße gelockt hatte. Und als er dieses scheußliche, erschreckende Gerät hervorholte, war sie sicher, dass sie auf die gleiche Art und Weise umkommen würde. Aber nein. Er hatte nur ihre Genitalien mit der Kamera erfasst und kichernd den todbringenden Dildo vor ihr hin und her geschwungen. Er hatte die Fesseln kontrolliert, dann trat er zurück und fingerte an seinem Schwanz unter den weiten verblassten Jeans herum. Sie glaubte, er werde sie vergewaltigen, aber auch diese Befürchtung war nicht eingetroffen. Gierig hatte er sie ein paar Minuten angestarrt und seinen steifen Penis wie eine zahme Ratte gestreichelt. Dann hatte er die Videokamera und die Webcam überprüft und war gegangen.
    Seitdem war sie allein. Sie hatte versucht, sich zu befreien, gab aber bald auf, denn sie begriff, dass sie nur ihre Energie umsonst verschwenden würde, die sie vielleicht später noch brauchte. Sie versuchte um Hilfe zu rufen, aber der Knebel, der gegen ihren Gaumen drückte, ließ höchstens ein Stöhnen zu. Sie konnte nichts tun, als vor Kälte und Angst zitternd dazuliegen. Die Urinlache unter ihr war in die dünne Matratze gesickert und hatte sich verteilt, so dass ihr noch kälter wurde.
    Paula versuchte sich einzureden, dass sie bald kommen würden, um sie zu holen. Carol Jordan würde sie niemals im Stich lassen. Da er sie am Leben gelassen hatte, vermutete sie, dass er glaubte, sie seien ihm dicht auf den Fersen. Er war weggegangen, weil er nicht erwartete, genug Zeit zu haben, um nur dazusitzen und ihr beim Sterben zuzusehen, nachdem er sie verletzt hatte. Aber als die Zeit verstrich, begann sie den Glauben daran zu verlieren. Einmal meinte sie, leise Schritte und eine gedämpfte Unterhaltung zu hören. Aber als sie angestrengt lauschte, wurde es gleich still, und sie fragte sich, ob sie es sich nur eingebildet hatte.
    Alles war ihre eigene Schuld. Wie hatte es passieren können, dass sie nichts gemerkt hatte, als er das Kabel durchschnitt? Hätte sie sich auf ihren Auftrag konzentriert, statt sich aufzuregen, weil er sie schmerzhaft in die Brustwarze gekniffen hatte, hätte sie gewusst, dass sie auf sich gestellt war. Dann hätte sie ihn überraschen können, sobald sie im Zimmer waren und sie die Gerätschaften auf dem Tisch sah, mit denen sich ihr Verdacht bestätigte, und sie hätte ihn festnehmen können. Aber sie war nicht auf Draht gewesen. Sie hatte mehr auf ihre eigenen Reaktionen als auf ihre Arbeit geachtet und zahlte jetzt den Preis dafür.
    Aber sie war ja noch am Leben. Solange sie noch lebte, konnte sie an Rettung glauben. Carol Jordan würde jede Tür in Temple Fields sprengen, wenn es nötig wäre. Sie wusste, wie es war, wenn man von seinen Vorgesetzten schutzlos preisgegeben wurde, und sie würde niemals erlauben, dass das mit Paula geschah. Was immer dazu unternommen werden musste, Carol würde sie finden.
    Die Minuten verstrichen unaufhaltsam. Paula war so erschöpft, dass sie immer wieder in einen schlafähnlichen Bewusstseinszustand verfiel, aber den Übergang zum Schlaf schaffte sie nie. Als die Tür aufging, wusste sie zunächst nicht, ob sie träumte. Ihr Herz sprang fast aus der Brust. Sie hatten sie gefunden!
    Aber die Hoffnung wurde in Sekundenschnelle zunichte, als die grausam vertraute Gestalt des Entführers erschien. Er hatte den Parka ausgezogen und trug stattdessen eine Jacke mit Kapuze, wahrscheinlich um nicht erkannt zu werden. Aber sie wusste nur allzu gut, wer es war.
    »Nur ich«, sagte er. »Ich muss die Kassette wechseln. Die Webcam ist nicht besonders gut, deshalb brauchen wir auch das Video. Damit wir zuschauen und genießen können, wie du leidest.«
    Wenn sie den Hals streckte, konnte sie ihn hinter der Videokamera sehen, wie er die Kassette herausnahm. Er steckte sie in die Tasche, beugte sich dann vor und machte irgendetwas an der Webcam. Er grinste anzüglich. »Ich soll dich nicht anrühren. Die Stimme sagt, ich muss warten, bis die Zeit reif ist. Aber die Stimme

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