Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Keks gehen«, seufzte Julia, obgleich Hellmer sie längst überzeugt hatte. »Sobald ihm die Chefetage und die Presse ordentlich einheizen, wird er uns Tag und Nacht in Bewegung halten.«
»Gerne. Ein Grund mehr, sich ein paar Stunden Auszeit zu nehmen, solange es geht. Frag mal Alina, die wird dir dasselbe sagen.«
»Ist doch gut, du brauchst mir jetzt überhaupt nicht psychologisch zu kommen«, lachte Julia. »Ich bin ja schon dabei.«
In diesem Moment ertönte die Telefonanlage. Das Display verriet, dass es sich um Andrea Sievers handelte. Julia nahm den Hörer ab und schaltete den Lautsprecher ein.
»Ja, Durant?«
»Und hier ist mal wieder die Fleischabteilung.«
Die Kommissarin stöhnte und rollte die Augen, Hellmer grinste.
»Julia, ich habe hier ein bisschen Material für dich. Ich jage es mal per E-Mail zu dir, wenn’s recht ist.«
»Klar, das ging ja echt schnell«, antwortete Julia anerkennend.
»Wir sind eben gut sortiert. Ich möchte langsam zum Ende kommen hier, können wir noch kurz drüber sprechen?«
»Das wäre meine nächste Frage gewesen. Für den ganzen Lateinkram bräuchte ich wieder stundenlang, nehme ich an.«
»Es hält sich in Grenzen. Wie viel weißt du denn bereits?«
»Nur die Rahmendaten«, antwortete die Kommissarin, »Sterbezeitraum, angenommene Todesursache, DNA. Keine Details.« Neben ihr räusperte Hellmer sich, und sie flüsterte ihm rasch zu: »Arthur Drechsler, der Erste der Big Five.« Dabei hob Julia die rechte Hand und spreizte alle fünf Finger. Hellmer nickte.
»Ich habe hier natürlich auch nur den medizinischen Kram«, setzte Andrea an, »aber der sieht ganz ordentlich aus. Professor Bock eben, da ist alles akribisch, aber selbst der beste Rechtsmediziner der Welt kann nicht mehr aus einem Körper holen, als dieser uns verraten möchte. Wenn du in nächster Zeit noch etwas zu dir nehmen möchtest, erspare dir lieber die Fotos, dieser Drechsler hat mindestens vier Tage im Wasser verbracht und muss dabei mit seinem Gesicht an jedem Pfeiler zwischen Osthafen und Holbeinsteg geschabt haben. Keine Gesichtskonturen mehr vorhanden, an den Händen sah es nicht besser aus. Bock hat daraufhin nach Zahnbefunden gesucht und DNA entnommen. Beim Gebiss kam er nicht weiter, aber anhand einer Vergleichsprobe aus der Wohnung konnte schließlich die DNA bestätigt werden. Fall abgeschlossen, Identität geklärt, da könnt ihr euch bei Platzecks Team bedanken. Die haben eine Zahnbürste und einen Kamm oder so etwas eingesackt. Aber das wird in deren Bericht sicher genauer stehen.«
»Hm. Und die Todesursache?«
»Da gibt es kaum mehr zu berichten als die Kurzfassung«, erwiderte Andrea. »Bock ist davon ausgegangen, dass es sich um einen Springer handelt, und ich teile diese Theorie. Wo genau er ins Wasser gegangen ist, können wir nicht feststellen, aber in der Regel wählt ein Selbstmörder eine der bekannten Brücken. Andererseits, im Winter«, warf sie ein, »würde es auch genügen, vom Ufer aus zu gehen. Das kalte Wasser raubt dir binnen Minuten die Sinne, und die Strömung erledigt den Rest. So wie der Main beschaffen ist, würde ich den Osthafen als frühestmöglichen Punkt annehmen. Bei den vielen Krümmungen und der niedrigen Strömungsgeschwindigkeit wäre es unwahrscheinlich, dass ein Körper in der Flussmitte kilometerweit treibt.«
»Das ist ja doch einiges mehr, als in der Kurzfassung steht«, sagte Julia nachdenklich. »Aber die eigentliche Todesursache ist die Kombination von Ertrinken und Erfrieren?«
»Wird wohl so sein, wenn Bock das so vermerkt hat. In Lunge und Magen war Flusswasser zu finden, aber nicht viel. Das spricht dafür, dass er während der Ohnmacht ein, zwei Atemzüge und Schluckreflexe hatte, bei denen das Wasser eindrang. Der Kopf dürfte zu dieser Zeit unter Wasser gewesen sein, er war also schon bewusstlos.«
»Kann man sagen, ob er versucht hat, dagegen anzukämpfen oder ob er in Panik war?«, erkundigte sich die Kommissarin.
»Schwimmzüge macht jeder, falls du darauf hinausmöchtest«, antwortete Andrea. »Auch Selbstmörder haben einen Schutzreflex, zum Beispiel halten Springer sich schützend die Hände vors Gesicht. Karl von Eisner hat das auch getan, obwohl er wusste, dass es ihm nichts nützt. Mit ein wenig Glück war er vor dem Aufprall bereits bewusstlos, aber das ist eine andere Geschichte. Ob unser Wassermann sich nun aber einfach über Wasser hielt oder versucht hat, zurück ans Ufer zu schwimmen, das kann ich dir beim
Weitere Kostenlose Bücher