Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
sich für Lavendel, ein Duft, der sie an ihre Auszeit in Südfrankreich erinnerte, die sie sich vor drei Jahren genommen hatte. Nachdem Julia während einer Ermittlung entführt und aufs schwerste misshandelt worden war, hatte sie ihre Siebensachen gepackt und sich ein Jahr freistellen lassen. Sie folgte der Einladung ihrer Freundin Susanne Tomlin, von der Julia mit Fug und Recht behaupten konnte, dass es sich um ihre mit Abstand beste Freundin handelte. Susanne hatte schon vor vielen Jahren Deutschland den Rücken gekehrt und sich an die Côte d’Azur zurückgezogen. Dort war Julia ein gern gesehener Gast, und die Kommissarin wusste diese Rückzugsmöglichkeit sehr zu schätzen, wenngleich sie sich immer ein wenig wie die sprichwörtliche Made im Speck fühlte, denn Susanne lehnte jegliche Beteiligung an Unterhaltskosten vehement ab. Wie lange liegt meine letzte Reise schon zurück?, grübelte Julia, als sie die Kerze entzündete und an das Fußende der Wanne stellte. Zu lange, wenn du darüber nachdenken musst, beschloss sie, aber es würde wohl auch noch ein Weilchen dauern.
»Mittelmeer oder München, es liegt ganz bei dir«, waren Susannes Worte gewesen, als sie das letzte Mal miteinander telefoniert hatten, das war kurz vor der Geburt der kleinen Elisa gewesen, vor Heiligabend, ungefähr zu der Zeit, in der Julia Durant ihre letzten Zigaretten geraucht hatte.
»Bitte lass uns München nicht überbewerten«, hatte sie zu Susanne gesagt. »Ich möchte das nicht zerreden, okay? Gib mir einfach diesen Urlaub, ein wenig Zeit, vor allem auch die Zeit mit meinem Vater. Die andere … Sache, die möchte ich nicht überstürzen, du verstehst das hoffentlich.«
»Ich werde mich hüten, dich zu fragen«, hatte Susanne lachend erwidert. »Bis jetzt bist du stets von alleine gekommen, wenn dir etwas auf der Seele brannte. Manchmal lässt du dir zwar mächtig viel Zeit, aber was soll’s, ich laufe ja nicht weg.«
Vielleicht war das einer der wichtigsten Faktoren, die diese Freundschaft für Julia so bedeutsam machten. Zwangloses Vertrauen, wie man es nur unter Freundinnen haben konnte. Zumindest kannte sie keinen Mann, dem sie dies nur ansatzweise zugetraut hätte. Paps einmal außen vor gelassen.
Als Julia sich ihres BHs und des Slips entledigt und diese in den Wäschekorb geworfen hatte, wanderte ihr Blick prüfend an sich hinab, danach zum Spiegel, dessen Glas mittlerweile vom heißen Wasserdampf beschlagen war.
Hast du zugenommen, oder bildest du dir das nur ein?, fragte sie sich. Sie zwickte mit Daumen und Zeigefingern an ihrer Hüfte entlang, für eine Siebenundvierzigjährige hatte sie nach wie vor eine gute Figur, jedoch waren nicht alle Stellen so straff wie erhofft. Pass bloß auf, mahnte sie sich, als sie in die Wanne stieg und den prasselnden Wasserstrahl etwas reduzierte. Joggen war bei diesen Temperaturen nicht unbedingt ihr bevorzugter Sport, und das Fitnessstudio hatte sie längst wieder aufgegeben. Ihr fehlte der verlässliche Rhythmus, um zwei- bis dreimal pro Woche konsequent hinzugehen. Außerdem fehlte ihr eine Begleitung, höchstens vielleicht Alina Cornelius, eine befreundete Psychologin, aber Julia wollte dieser Freundschaft nicht die Spontaneität nehmen. Und mit Sabine Kaufmann war momentan nichts anzufangen, auch so ein Punkt, sinnierte sie, den ich mal angehen müsste. So viele Sorgen in einem so jungen Jahr, seufzte sie, schloss die Augen und ließ sich bis zu den Ohren in das mit Schaum bedeckte Wasser gleiten.
Einer alten Gewohnheit zufolge lag ihr Telefon auch beim Baden in Reichweite. Nach einigen Minuten stillen Schwebens öffnete sie die Augen, trocknete sich die Hände ab, tupfte außerdem über das linke Ohr und nahm den schnurlosen Apparat zur Hand. Ob er wohl zu Hause ist, dachte Julia, dann aber fiel ihr ein, dass Claus noch Resturlaub zu verbummeln hatte und es langsam anging im neuen Jahr. Beneidenswert, dachte sie und suchte in der Wiederwahlliste die Nummer.
»Wenn das nicht meine Lieblingskollegin ist«, ertönte es nach nur dreimaligem Freizeichen in der angenehmen Stimme des Münchner Kommissars, in der ein leichter Dialekt klang.
»Lieblingskollegin«, wiederholte sie in zweifelndem Tonfall. »Wie nett.«
»Hey, ich dachte mir eben, sei nicht zu überschwenglich«, lachte Claus. »Ich habe in einer Fachzeitschrift gelesen, man solle sich lieber rar machen gegenüber attraktiven, geheimnisvollen Frauen.«
»Deine Fachzeitschriften kenne ich«, erwiderte Julia
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