Tödlicher Applaus
sein Gewehr auf ihn. »Wie schaltet man das ab? Wie? Antworten Sie mir!« Er legte die Mündung an Rudis Stirn, aber Rudi blieb ruhig.
»Ich kann das nicht abschalten! Sorry! Ich hab das nicht programmiert!«
Tom starrte auf den roten Pfeil, der sich langsam auf den blauen Kreis zubewegte. Im selben Moment hörte er eine vertraute Stimme: »Tom? Tom, bist du das?«
Cathrine war aus ihrer Bewusstlosigkeit, in die sie vor Erschöpfung gefallen war, aufgewacht. Sie hatte gerade geträumt, dass Tom sie gerufen hatte. Eine unbändige Freude, am Leben zu sein, erfüllte sie. Es zog durch die Öffnung, in der der Stein in der Mauer fehlte, und als sie sich umsah, bemerkte sie das Licht, das von oben in das Mauergeviert fiel. Jemand hatte zwei Steine gelöst, während sie geschlafen hatte. Aber wer? Tom? War er tatsächlich da? Hatte sie das nicht nur geträumt?
»Tom? Tom, bist du das?« Cathrines ausgetrocknete Stimme drang als zitterndes Flüstern durch die Mauer.
In zwei Sätzen war Tom auf dem Tisch. »Cathrine, du lebst! Gott sei Dank!« Doch dann mischte sich Panik in seine Freude. Die Katze! »Cathrine, hier fliegt vielleicht gleich alles in die Luft. Ich versuche, das zu verhindern, weiß aber nicht, ob ich es schaffe. Geh in Deckung!«
»Die Katze!«, hörte er Rudi rufen.
Toms Gedanken rasten. Er überlegte fieberhaft, aber es war wie ein Strampeln im Moor, er sackte nur noch tiefer.
»Das Handy, Tom! Hans Maier hat ein Handy eingemauert! Hast du es gefunden?«, hörte er Cathrines Stimme von unten. »Das Handy, Tom?«
Tom holte das Mobiltelefon aus seiner Tasche. »Ich habe das Handy, Cathrine.« Toms Blick glitt zu Rudi Maier und dann auf den Bildschirm. Immer näher kam der rote Pfeil dem blauen Kreis. »Ich muss raus, Cathrine, versuch, deinen Kopf zu schützen, wenn es knallt.«
»Tom, warte! Hans hat eine Nummer eingetippt, bevor er das Handy eingemauert hat. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich die Zahlenkombination noch im Kopf habe.«
»Denk nach, Cathrine! Was waren das für Töne? Versuch, dich zu erinnern!«
Cathrines Hirn glühte. Sosehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich nicht an die Zahlen erinnern. Wütend und verzweifelt schlug sie mit ihren Händen gegen die Wand. Da brach die Tonfolge wieder in ihr Bewusstsein, tauchte wie ein glänzender Fisch aus dem Meer auf. »Tom, jetzt weiß ich’s wieder! Die Tonfolge war …«
»Die Katze!«, schrie Rudi Maier.
Russisches Roulette
Cato Föllinger hob die Zeltplane hoch und marschierte direkt auf den älteren Herrn mit silbergrauem Haar und die junge Frau zu. Der Mann hatte seinen Arm fest um die Frau gelegt, und beide hatten die Augen geschlossen. »Hallo«, sagte Föllinger. »Alles in Ordnung so weit?«
Maria öffnete die Augen und nickte stumm. Steen blieb mit geschlossenen Augen sitzen, als weigere er sich, die Situation zu akzeptieren.
»Das kriegen wir schon hin«, erklärte Föllinger und sandte Maria einen aufmunternden Blick.
Maria wunderte sich über die jungenhafte Erscheinung des Spezialisten mit seinem modischen Haarschnitt und den wachen blauen Augen, dem üppig bedruckten blauen Kapuzenshirt und der graublauen Arbeitshose mit den vielen Taschen.
Föllinger hatte seinen Wehrdienst im Balkankrieg geleistet und eine Spezialausbildung im Entschärfen von Minen, Bomben und allem anderen, was die Welt in die Luft jagen konnte, absolviert. Er wirkte in Anbetracht der Aufgabe, die vor ihm lag, erstaunlich gelassen, sodass Maria für einen Augenblick fast vergaß, in welcher Gefahr sie schwebte. Seine Finger waren lang und beweglich wie die eines Pianisten. Vorsichtig fuhr er damit über die Weste, um sich ein Bild zu machen.
»Ich werde Sie etwas gründlicher abtasten müssen. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel.« Sein munterer Ton linderte die Spannung im Zelt.
Maria lächelte tapfer, nickte und schüttelte dann den Kopf. »Ist schon okay«, sagte sie.
Föllinger drückte auf verschiedene Punkte und ertastete vorsichtig den Verlauf der Kabel. Dann untersuchte er den schräg vorn angesetzten Schließmechanismus, der insgesamt aus fünf Druckknöpfen bestand. Zwei davon waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Verbindung zum Auslöser. Wenn er die Weste öffnete, würde der Sprengsatz hochgehen.
Föllinger summte leise vor sich hin, als er das Skalpell aus seiner kleinen Werkzeugtasche nahm. Mit der Präzision eines Chirurgen durchtrennte er die Nähte der Weste vom Kragen abwärts, bis er den Stoff zur
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